Filesharing: AG Düsseldorf erteilt Abmahner die rote Karte und bezeichnet Abmahnung als "unbrauchbare Leistung"

Filesharing: AG Düsseldorf erteilt Abmahner die rote Karte und bezeichnet Abmahnung als "unbrauchbare Leistung"
09.07.2014375 Mal gelesen
Das Amtsgericht Düsseldorf hat einer Abmahnkanzlei einen Dämpfer verpasst, die in einem Filesharing Verfahren völlig überzogene Forderungen einklagen wollte. Besonders die Ausführungen zur Schadenshöhe und zur Qualifizierung der Abmahnung als "unbrauchbare Leistung" sind lesenswert.

Ein privater Anschlussinhaber war wegen der illegalen Verbreitung eines Musikalbums mit 15 Musiktiteln über eine Tauschbörse im Internet abgemahnt worden. Schließlich verklagte ihn der Rechteinhaber auf Zahlung von 2.500 Euro Schadensersatz sowie der Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 Euro. Dabei legte die Abmahnkanzlei für die Berechnung der Abmahnkosten einen Streitwert in Höhe von 50.000 Euro zugrunde.

Doch das Amtsgericht Düsseldorf entschied mit Urteil vom 03.06.2014 (Az. 57 C 3122/13), dass der Tauschbörsennutzer für die Urheberechtsverletzung durch rechtswidrige Verbreitung des Musikalbums lediglich Schadensersatz in Höhe von 303,60 Euro zahlen muss. Im Übrigen wies es die Klage des Rechteinhabers ab.

Filesharing durch Privatleute: Keine Gleichsetzung mit kommerziellem Lizenznehmer

Dies begründete das Amtsgericht Düsseldorf damit, dass die Gleichsetzung des privaten Filesharings mit einem kommerziellen Lizenznehmer bei der Ermittlung der Höhe des Schadens unzulässig ist. Der Schadenersatz nach Lizenzanalogie ist danach zu berechnen, was ein vernünftiger Lizenzgeber verlangt und ein vernünftiger Lizenznehmer gezahlt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten. Das Betreiben von Filesharing durch eine Privatperson kann wegen der Andersartigkeit der Verbreitung als auch wegen dem fehlenden kommerziellen Interesse - eigentlicher Zweck der Nutzung des Filesharings ist die Versorgung mit Mediendateien zur Eigennutzung - nicht mit der Verbreitung durch einen kommerziellen Lizenznehmer verglichen werden. Vielmehr hat sich die Berechnung des Schadensersatzes nach Lizenzanalogie an der auf dem Markt erzielbaren Lizenzeinnahme für einen Einzeldownload über einen legalen Anbieter zu orientieren (Einsatzbetrag). Abschließend hat eine Angemessenheitsprüfung des Ergebnisses zu erfolgen.

Schadensberechnung bei privatem Filesharing

Wie die Berechnung des Schadens im Einzelnen aussieht, erläutert das Gericht ausführlich. Hierbei verweist es unter anderem darauf, dass der Anzahl der möglichen Vervielfältigungen darf nicht durch einen pauschalen Multiplikationsfaktor Rechnung getragen werden darf, Vielmehr ist sich am Einzelfall zu orientieren, wie viel direkte Downloads anderer Teilnehmer des Filesharing-Netzwerkes unter Verwendung von Chunks der Beklagtenseite möglich erscheinen.

AG Düsseldorf qualifiziert Abmahnung als "unbrauchbare Leistung"

Des Weiteren verweist das Amtsgericht Düsseldorf darauf, dass die Abmahnkosten hier gar nicht durch den verklagten Tauschbörsennutzer zu tragen sind, weil es sich bei der Abmahnung um eine gänzlich unbrauchbare Leistung handelt. Dies ergibt sich daraus, dass in dem Schreiben nicht die einzelnen Titel genannt werden, die der abgemahnte Anschlussinhaber verbreitet haben soll. Vielmehr lautet die Formulierung wie Folgt: ". es zu unterlassen, geschütztes Repertoire, insbesondere das Werk XXX., zu verbreiten.". Eine derartige Formulierung - die wörtlich in der vorformulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung wiederholt wird, ist jedoch zu unbestimmt. Dies ist bedenklich, weil eine derartige Unterlassungserklärung viel zu weit ist. Gerade von Privatleuten kann nicht erwartet werden, dass sie dies erkennen und bei Abgabe der Unterlassungserklärung korrigieren. In diesem Zusammenhang verweist das Gericht auch darauf, dass die Abmahner den Streitwert für die Abmahnung viel zu hoch angesetzt haben. Es geht hier von einem Streitwert in Höhe von lediglich 1.518 Euro aus.

Vermutlich muss BGH abschließend entscheiden

Interessant sind schließlich die folgenden Ausführungen des Gerichtes. Diese lauten wörtlich wie Folgt: "Auch wenn es für den konkreten Fall jedenfalls in dieser Instanz hierauf nicht ankommt, sieht sich das Gericht noch zu folgender Bemerkung veranlasst: Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg, BeckRS 2013, 20105, dürfte es sich bei der Berechnung der Höhe des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie bei Filesharing-Fällen nicht lediglich um die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall handeln. Vielmehr stellen sich aus Sicht des Amtsgerichts hierbei durchaus grundlegende Rechtsfragen, nämlich in welchem Umfang die bisher von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Lizenzanalogie auf in verbraucherähnlicher Stellung handelnde Privatpersonen übertragbar sind und wie genau die Berechnung der Höhe des Schadenersatzes vorzunehmen ist, insbesondere von welchem Vervielfältigungsfaktor bei lediglich punktuell festgestellten Zeitpunkten einer Rechtsverletzung auszugehen ist. Angesichts des Massenanfalls von Filesharing-Fällen erscheint eine Zersplitterung der Rechtsprechung in Einzelansichten verschiedener Amts-, Land- und Oberlandesgerichte der Gerechtigkeit nicht zuträglich. Daher dürfte nach Auffassung des Amtsgerichts sowohl eine grundsätzliche Bedeutung der Sache gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegeben sein als auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung der Einheit der Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Filesharing-Fällen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich machen."

Fazit:

Abgemahnte Tauschbörsennutzer sollten sich gerade aufgrund der nicht abschließend geklärten Rechtsfragen bei der Schadensberechnung im Filesharing Bereich unbedingt beraten lassen. Die Forderungen stellen sich oft als zu hoch dar. Das gilt beispielsweise für Abmahnungen der Kanzlei Rasch, die in ihren Klagen häufig ähnliche Beträge einfordert wie im vorliegenden Fall.

Volltext der Entscheidung des AG Düsseldorf (Az. 57 C 3122/13)

 

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