Feil Rechtsanwälte informieren: Der IT-Beschaffungsvertrag für die Pflege von Standardsoftware

Internet, IT und Telekommunikation
23.09.20111220 Mal gelesen
Die EVB-IT sind die Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand bei der Beschaffung von IT-Leistungen. Die Verträge eignen sich aber auch außerhalb der öffentlichen Hand für Beschaffungsvorgänge. Nachfolgend wichtige Informationen zu den EVB-IT Pflege S, dem Vertrag für die Pflege von Software.

Nachdem zum 01. Mai 2002 die aufgrund der Schuldrechtsreform überarbeiteten EVB-IT Verträge erschienen sind, wurde zum 01.03.2003 der Vertragstyp EVB-IT S veröffentlicht. Dieser Vertrag betrifft die Pflege von Standardsoftware.

 

I. Einleitung

Im Auftrag des Kooperationsausschusses Automatisierte Datenverarbeitung Bund/Länder/kommunaler Bereich (KoopA-ADV) verhandelt eine Arbeitsgruppe der öffentlichen Hand unter Federführung des Bundesministeriums des Inneren (BMI) mit der Wirtschaft über die Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand bei der Beschaffung von IT-Leistungen. Die Verhandlungen dienen dem Zweck, ein ausgewogenes und den beiderseitigen Interessen entsprechendes Regelwerk zu schaffen, welches allen IT-Beschaffungen durch die öffentliche Hand zu Grunde gelegt werden kann. Seit dem 01.03.2003 steht ein neuer Vertragstyp zur Verfügung. Der formale Aufbau entspricht dem bisherigen System. Die EVB-IT Pflege S bestehen aus dem Vertragsformular, den allgemeinen Geschäftsbedingungen, einem Muster für ein Störungsmeldeformular sowie einem Muster Leistungsnachweis.

Die ergänzenden Vertragsbedingungen für die Pflege von Standardsoftware (EVB-IT Pflege S) ersetzen die Regelungen der BVB-Programmpflege, soweit dort die Pflege von Standardsoftware betroffen ist. Nach recht intensiven Verhandlungen ist es den Delegationen gelungen, ein entsprechendes Vertragswerk zu entwickeln. Dabei galt es, die unterschiedlichen Interessen beider Verhandlungspartner angemessen zu berücksichtigen. Die Wirtschaft nutzt eine Vielzahl von verschiedenen Vertragsmodellen, auf deren Grundlage Pflegeleistungen angeboten werden. Diese Vielfalt sollte sich in den EVB-IT Pflege S genau so wiederfinden wie die unterschiedlichen Bedarfssituationen auf Seiten der Auftraggeber. Die öffentliche Hand hatte zudem ein besonderes Interesse, die möglichen vertraglichen Leistungen detailliert und genau zu beschreiben, um den künftigen Vertragspartnern Gelegenheit zu geben, mit wenig Aufwand rechtssicher die Gegenleistungen für das Pflegeentgelt zu definieren.

Besondere Aufmerksamkeit galt der Frage, welcher Vertragstyp des BGB einem Pflegevertrag über die Pflege von Standardsoftware zu Grunde zu legen ist. Zwar hat der Gesetzgeber nach der Schuldrechtsreform in § 634 a versteckt eine Andeutung zur Vertragseinordnung untergebracht. Bei der Verjährung von Mängelansprüchen verweist er in § 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB darauf, dass die Ansprüche bei einem Werk, dessen Erfolg in der Wartung einer Sache besteht, in zwei Jahren verjähren. Ob aus dieser Andeutung des Gesetzgebers allerdings herzuleiten ist, dass alle Wartungs- und Pflegeleistungen dem Werkvertragsrecht unterliegen, muss bezweifelt werden. Die Verhandlungsdelegationen haben daher versucht, die jeweiligen Pflegeleistungen einem entsprechendem Vertragstypen des BGB zuzuordnen und die Rechtsregeln der EVB-IT Pflege S entsprechend zu verfassen.

 

II. Vertragsformular

Der Aufbau des Vertragsformulars orientiert sich an den bereits veröffentlichten EVB-IT Verträgen. In Nummer 1 des Vertrages werden der Vertragsgegenstand und die Vergütung, in Nummer 2 die Vertragsbestandteile festgelegt.

1. Arten der Pflegeleistung

Kernstück des Vertragsformulars ist Nummer 3, der die Art und den Umfang der Pflegeleistungen festlegt. Hier sind die verschiedenen Pflegeleistungen im Einzelnen aufgeführt. Die Verhandlungsdelegationen sahen es als sinnvoll an, hier einen hohen Detaillierungsgrad vorzugeben. Es wird zwischen drei wichtigen Gruppen von Pflegeleistungen unterschieden. In Nummer 3.1 können Pflegeleistungen zur Mängelbehebung vereinbart werden, in Nummer 3.2 die Lieferung und Installation von Upgrades, Releases und Versionen und in Nummer 3.3 die Möglichkeit, Umsetzungs- und Installationsleistungen zu vereinbaren. Nummer 3.4 enthält dann die Möglichkeit, weitere Pflegeleistungen wie Informationsservice oder Hotlineservice zu vereinbaren.

Die Unterteilung ergibt sich unter anderem daraus, dass die Zuordnung zu verschiedenen Vertragstypen des BGB möglichst konsequent umgesetzt werden sollte. Bei den Pflegeleistungen zur Mängelbehebung wird zwischen der Basispflegeleistung und sogenannten additiven Pflegeleistungen unterschieden. Die Basispflegeleistungen enthalten die Lieferverpflichtungen von Umgehungen, Patches, und Updates ohne Erfolgsverpflichtungen. Hier werden nur dienstvertragliche Leistungen erbracht. Dagegen können unter Nummer 3.1.2 additive Pflegeleistungen gegen Vergütung nach Aufwand vereinbart werden. Bei additiven Pflegeleistungen werden werkvertragliche Tätigkeiten erbracht. Es besteht eine Erfolgsverpflichtung, sprich der jeweilige aufgetretene Mangel an der Standardsoftware muss vom Auftragnehmer beseitigt werden. Die Verhandlungsdelegationen sind davon ausgegangen, dass eine pauschale Vergütung bei den additiven Pflegeleistungen schon aus Kalkulationsgründen in der Praxis nur selten vorkommen dürfte und haben einer entsprechenden Vereinbarungsmöglichkeit im Vertragsformular keinen eigenen raum gegeben. Bei Bedarf ist daher im Vertragsformular unter Nummer 15 eine entsprechende Regelung als sonstige Vereinbarung zu treffen. Additiven Pflegeleistungen sollen insbesondere bei hochwertiger Standardsoftware oder bei hohen Verfügbarkeitsanforderungen und kritischen Systemen vereinbart werden können.

2. Basispflegeleistung

Für die Basispflegeleistungen sind zwei unterschiedliche Wege der Bereitstellung verfügbar Umgehungen, Patches und Updates vorgesehen. Entweder werden die Basispflegeleistungen auf Anforderung des Auftraggebers innerhalb der Reaktionszeit erbracht oder es wird vereinbart, dass die Basispflegeleistungen unverzüglich geliefert werden, sobald diese verfügbar sind. Weiterhin ist die Art der Leistungserbringung im Vertrag festzulegen. Es wird zwischen postalischem Versand, elektronischer Zustellung und der Bereitstellung im Internet zum Download unterschieden. Die Vereinbarung von zusätzlichen Unterstützungsleistungen für die Basispflegeleistung ist möglich. Solche Unterstützungsleistungen werden im Zweifel von Auftraggebern in Anspruch genommen, die nicht die notwendige IT-Kompetenz zur Verfügung haben. Die Unterstützungsleistungen haben dienstvertraglichen Charakter. Der Auftragnehmer unterstützt den Auftraggeber beratend bei der Umsetzung einer Umgehung oder der Installation von Patches und Updates. Die eigentliche Umsetzung oder Installationsleistung wird vom Auftraggeber vorgenommen. Sollten weitergehende Unterstützungsleistungen vom Auftragnehmer notwendig sein, so kann unter Nummer 3.3 die Umsetzung oder Installation vereinbart werden. Dies sind dann werkvertragliche Leistungen, die der Abnahme unterliegen.

Mit der Unterstützungsleistung ist im Vertrag die Art der Leistungserbringung anzugeben. Soll die Leistung als Tele-Service erbracht werden, ist zwingend eine Tele-Service-Vereinbarung abzuschließen. In einer solchen Vereinbarung sind unter anderem Regeln über Art, Umfang und Durchführung des Tele-Services sowie Vereinbarungen zum Datenschutz und der Datensicherung mit aufzunehmen. Alternativ kann die Leistungserbringung als Vor-Ort-Service oder als sonstige Art der Leistungsvereinbarung gemäß Anlage im Vertrag geregelt werden. Die mit den EVB-IT veröffentlichten Nutzerhinweise geben detaillierte Auskunft zu unverzichtbaren und sinnvollen Inhalten einer solchen Vereinbarung.

 

3. Additive Pflegeleistung

Die additiven Pflegeleistungen nach Nummer 3.1.2 richten sich auf die erfolgreiche Mängelbehebung. Entsprechende Pflegeleistungen können vom Hersteller der Standardsoftware oder von einem qualifizierten Service-Dienstleister mit entsprechender Autorisierung erbracht werden. Im Pflegevertrag wird ausdrücklich auf zwei Voraussetzungen für die Erbringung dieser additiven Pflegeleistung hingewiesen. Zum einen dürfen die Lizenzbedingungen / Nutzungsrechtsbestimmungen, denen der Auftraggeber unterworfen ist, für die zu pflegende Standardsoftware keine Einschränkung für die Erbringung dieser Pflegeleistungen durch Dritte enthalten. Damit soll vermieden werden, dass vom Auftragnehmer widerrechtlich in die Standardsoftware eingegriffen wird. Des weiteren ist eine Berechtigung des Auftragnehmers notwendig, diese Pflegeleistung zu erbringen. Mit dieser Vorraussetzung wollen die Verhandlungsdelegationen sicherstellen, dass nur qualifizierte Anbieter entsprechende Vereinbarungen unterzeichnen. Da die additiven Pflegeleistungen sich nach den werkvertraglichen Vorschriften des BGB richten, unterliegen sie der Abnahme. Hier verweist der Pflegevertrag auf die Regelungen des § 640 BGB.

 

4. Weitere Pflegeleistungen

 

In Nummer 3.2 wird die Lieferung und Installation von Upgrades, Releases und Versionen vertraglich geregelt. Diese können je nach Vereinbarung auf Anforderung des Auftraggebers innerhalb der Reaktionszeit oder unverzüglich sobald verfügbar zu liefern sein. Die Art der Lieferung ist ebenfalls vertraglich festzulegen.

Zu den weiteren Pflegeleistungen, die in Nummer 3.4 vereinbart werden können, gehört unter anderem ein Informationsservice. Im Rahmen dieses Informationsservices sollen unverzüglich dem Auftraggeber alle verfügbaren Informationen über bekannt gemachte Programmkorrekturen übermittelt werden. Im Sprachgebrauch der EVB-IT Pflege S ist der Begriff "Programmkorrektur" der Oberbegriff für Umgehungen, Patches, Updates, Upgrades und Releases / Versionen einschließlich der zugehörigen Dokumentationen. Eine weitere mögliche Pflegeleistung ist ein Hotline-Service während der vereinbarten Servicezeiten. Die Einzelheiten sind in einer Anlage festzulegen. Sonstige Pflegeleistungen, die nicht durch das im Formular vorgesehene Spektrum abgedeckt sind, können ebenfalls vertraglich vereinbart und ggf. in einer Anlage näher spezifiziert werden.

 

5. Die weiteren Vertragsbestandteile

Für die Kalkulation benötigt der Auftragnehmer den Hinweis aus Nummer 5 des Vertrages hinsichtlich der Nutzungsrechte, also Angaben zur Lizenzart und der Zahl der Lizenzen. Die Angaben zu den Nutzungsrechten müssen den vereinbarten Nutzungsrechten des jeweiligen Überlassungsvertrages entsprechen. Die Pflegeleistungen sollen vom Auftraggeber im gleichen Umfang genutzt werden können wie die ursprünglich überlassene Standardsoftware.

Nummer 6 des EVB-It Pflegevertrages S regelt die Vergütung. Dabei wird unterschieden zwischen der Pflege gegen pauschale Vergütung und der Pflege gegen Vergütung nach Aufwand. Der Aufbau orientiert sich an dem Vertragsformular EVB-IT Instandhaltung und führt die zu pflegende Software im Einzelnen auf. Eine abweichende monatliche Pauschale ab Beginn der Leistungsdauer - beispielsweise für Pflegeleistungen während der Gewährleistungsfrist - kann ebenfalls im Vertragsformular mit aufgenommen werden.

 

Folgende Regelungen können darüber hinaus vereinbart werden:

- Vergütungsvorbehalt (Nummer 7)

- Regelungen zur Störungsmeldung (Nummer 8)

- Erfüllungsort (Nummer 9)

- Verantwortliche Ansprechpartner (Nummer 10)

- Mitwirkungsleistungen des Auftraggeber (Nummer 11)

- Schlichtungsverfahren (Nummer 12)

- Abweichende Kündigungsfristen (Nummer 13)

- Nachweis einer Haftpflichtversicherung (Nummer 14)

- Sonstige Vereinbarungen (Nummer 15).

Zusätzlich wurde auch für die EVB-IT Pflege S ein Störungsmeldeformular entwickelt, das unter anderem eine Kategorisierung der Bedeutung der Störung nach Einschätzung des Auftraggebers vorsieht.

 

Weitere Informationen zu den EVB-IT finden Sie unter:

http://www.recht-freundlich.de/