Entgeltfortzahlung trotz Selbstverletzung – LAG Hessen 4 Sa 617/13

Arbeit Betrieb
06.01.2014306 Mal gelesen
In § 3 Absatz 1 EFZG ist bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen hat.

Das LAG Hessen hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes vorliegt, wenn sich der Arbeitnehmer mutwillig selbst verletzt.

Der Kläger war als Warenauffüller in einem Baumarkt beschäftigt. Für seine Tätigkeit benutzte er einen Gabelstapler. An diesem brachte der Kläger im August 2012 ein Plexiglasteil als Windschutzscheibe an. Der betriebliche Sicherheitsbeauftragte rügte dies und wies den Kläger an, die Scheibe zu entfernen.

Während dieses Vorgangs geriet der Kläger zunehmend in heftige Erregung. Zunächst warf er in der Nähe liegendes Verpackungsmaterial. Schließlich schlug der Kläger mit der Hand mindestens dreimal auf ein in der Nähe aufgestelltes Verkaufsschild. Dieses bestand aus nachgiebigem Hohlkammerschaumstoff, der an eine Holzstange montiert war, die wiederum in einem mit Beton aufgefüllten Florwallsteinring steckte.

Die Hand des Klägers schwoll unmittelbar anschließend dick an. Es wurde ein Bruch der Hand diagnostiziert. Aufgrund der Verletzung war der Kläger vom 09. August bis zum 19. September 2012 arbeitsunfähig. Die beklagte Arbeitgeberin gewährte dem Kläger keine Entgeltfortzahlung.

Der Kläger verklagte die Arbeitgeberin daher auf Zahlung von 2.662,52 Euro brutto. Vor dem Arbeitsgericht bekam der Kläger Recht. Die Beklagte wandte sich mit Ihrer Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts.

Die Beklagte war der Auffassung, dass das Verhalten des Klägers keinen nachvollziehbaren Grund gehabt habe und völlig überzogen und nicht hinnehmbar gewesen sei. Der Kläger habe den Widerstand der Holzstrebe bereits beim ersten Schlag spüren müssen. Da er gleichwohl voller Wut weiter auf das Schild schlug, sei die Verletzung zwangsläufig gewesen.

Das LAG Hessen folgte der Argumentation der Beklagten nicht. Ein Verschulden im Sinne des EFZG habe nicht vorgelegen. Der Verschuldensbegriff von § 3 Absatz 1 Satz 1 EFZG entspreche nicht dem allgemeinen zivilrechtlichen Verschuldensbegriff von § 276 BGB, der auch mittlere und leichte Fahrlässigkeit umfasst. Es sei vielmehr ein grober Verstoß gegen das eigene Interesse eines vernünftigen Menschen erforderlich. Der arbeitsrechtliche Verschuldensbegriff setze ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus.

Der Kläger habe nicht besonders leichtfertig oder grob fahrlässig gehandelt. Es habe nur mittlere Fahrlässigkeit vorgelegen. Der Kläger habe sich offensichtlich vorübergehend in einem heftigen Wut- und Erregungszustand befunden und sich dementsprechend kurzzeitig nicht unter Kontrolle gehabt. Das Verhalten des Klägers sei nicht zu billigen, aber menschlich nachzuvollziehen, da kein Mensch in der Lage sei, sich jederzeit vollständig zu kontrollieren und zu keiner Zeit irrational zu handeln.

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