Enkel macht Pflichtteilsansprüche geltend

Familie und Ehescheidung
05.08.2011700 Mal gelesen
1. Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings besteht auch dann, wenn der nähere Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen enterbt wurde. 2. § 2309 BGB setzt eine Pflichtteilsberechtigung des entfernteren Abkömmlings voraus, beschränkt diese aber zur Vermeidung einer Vervielfältigung der Pflichtteilslast. BGH v. 13.4.11 - IV ZR 204/09

Sachverhalt

Großvater und Großmutter setzten sich mit notariellem Testament gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein, Ihr Sohn, Vater zweier Söhne wurde zunächst zum alleinigen Erben des Längstlebenden bestimmt. Nach dem Tod des Großvaters errichtete die Großmutter ein notarielles Testament, in dem sie ihren Sohn - es lag ein Grund zur Pflichtteilsentziehung vor - enterbte und einen ihrer Enkel zum Alleinerben bestimmte. Sein Bruder machte Pflichtteilsansprüche geltend. Der enterbte Vater lebt noch.

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger kann nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB als Abkömmling der Erblasserin vom Beklagten den Pflichtteil verlangen, da er durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Er wäre infolge der Enterbung seines Vaters - neben dem Beklagten - deren nächstberufener gesetzlicher Erbe gewesen. Nach § 1924 Abs. 2 BGB schließt ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling zwar diejenigen von der Erbfolge aus, die durch ihn mit dem Erblasser verwandt sind. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der nähere Abkömmling auch zur Erbfolge gelangt.

Der entferntere Abkömmling tritt infolge einer Ausschließung des näheren Abkömmlings in das gesetzliche Erbrecht ein.

 

Für vergleichbare Fallkonstellationen der Ausschlagung (§ 1953 Abs. 2 BGB), der Erbunwürdigkeit (§ 2344 Abs. 2 BGB) sowie des beschränkten Erbverzichts (§ 2346 Abs. 1 S. 2 BGB, § 2349 BGB) hat der Gesetzgeber zwar eine Regelung dahingehend getroffen, dass die Erbschaft demjenigen anfällt, welcher berufen sein würde, wenn der Weggefallene zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte. Dass eine solche Bestimmung für die Ausschließung eines Abkömmlings von der Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen fehlt, rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass es in dieser Konstellation nicht zum Eintreten des Abkömmlings nach § 1924 Abs. 3 BGB kommen kann.

 

Infolge der Einsetzung des Beklagten zum Alleinerben wurde der Kläger durch Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge - stillschweigend - ausgeschlossen. Hierdurch erlangte er ein Pflichtteilsrecht nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB. Bemessungsgrundlage des Pflichtteils des entfernten Abkömmlings ist dabei der Nachlass abzüglich dessen, was der nähere Berechtigte fiktiv verlangen könnte (§ 2309 1.Alt. BGB) bzw. tatsächlich angenommen hat (§ 2309 2.Alt. BGB). Dadurch soll eine Vervielfältigung der Pflichtteilslast vermieden werden, die ansonsten durch das Nachrücken entfernterer Abkömmlinge in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten entstehen würde; dem jeweiligen Stamm soll nur ein Pflichtteil zukommen. Dem Kläger steht daher ein nicht beschränktes Pflichtteilsrecht zu, da sein Vater als näherer Abkömmling selbst den Pflichtteil nicht fordern kann, weil ihm dieser wirksam nach § 2333 BGB entzogen wurde.