Einseitiger Internetauftritt kann Besorgnis der Befangenheit begründen, OLG Koblenz

Einseitiger Internetauftritt kann Besorgnis der Befangenheit begründen, OLG Koblenz
30.01.2013318 Mal gelesen
Wenn ein medizinischer Sachverständiger auf seiner Homepage ganz offensichtlich seine Patientennähe hervorhebt und massiv die kritische Distanz zu Klinikbetreibern betont, so kann dies die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen im Gerichtsverfahren unter Beteiligung von Klinikbetreibern begründen.

Denn in einem solchen Fall kann ein Sachverständiger den Eindruck der fehlenden Neutralität erwecken. Es ist aber seine Pflicht, im gerichtlichen Verfahren den Anschein der Voreingenommenheit und Parteilichkeit gerade zu vermeiden. Dies hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz entschieden (Beschluss vom 24. Januar 2013, Az.: 4 W 645/12), der auf die sofortigen Beschwerden mehrerer Parteien eine Entscheidung des Landgerichts Mainz abgeändert hat.

Der Sachverständige erstattete in einem Schadensersatzprozess einer Patientin gegen eine Mainzer Klinik, deren Geschäftsführer, die behandelnde Anästhesistin und eine Medizinstudentin ein mündliches Gutachten. Drei Beklagte lehnten ihn im Anschluss wegen der Besorgnis der Befangenheit u.a. mit der Begründung ab, der Sachverständige sei auf seiner Homepage in pauschalisierender Weise gegen die Behandlerseite eingestellt und damit als gerichtlich eingesetzter Gutachter nicht unvoreingenommen. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortigen Beschwerden hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts nun das Ablehnungsgesuch der Beklagten für begründet erklärt.

Der Senat führt in seinem Beschuss aus, die Gestaltung der Homepage des Sachverständigen rechtfertige Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit, die von ihm im gerichtlichen Verfahren zu fordern sind. Er hebe in dem Internet-Auftritt ausdrücklich und mehrfach seine Patientennähe hervor. Es gehe ihm erkennbar und grundsätzlich darum, eine kritische Distanz zu den Klinikbetreibern zu dokumentieren, denen er pauschal organisatorische Mängel, Behandlungsfehler und Gewinnstreben unterstelle. Die Homepage sei geprägt von seiner veröffentlichten Meinung, infolge einer zu missbilligenden, am Gewinnstreben orientierten schlechten Organisation der Patientenversorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen komme es zu Patientenschädigungen. Die Überschrift "Patientensicherheit vs. Sparen" präsentiere er dabei als "Grundidee". Auf nahezu allen Seiten der Internetpräsenz fänden sich Darstellungen dieser Problematik, ausschließlich mit der Maßgabe, der Fehler liege auf Behandlungsseite. Die Beklagten hätten daher berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit des Gutachters.

Dabei hat der Senat klarstellend betont, die Darstellungen des Sachverständigen im Rahmen seines Internetauftritts seien nicht grundsätzlich zu missbilligen, vielmehr sei das zum Ausdruck kommende Streben nach Patientensicherheit anerkennenswert. Hiervon grundsätzlich zu unterscheiden sei jedoch der Umstand, dass der Sachverständige infolge seiner bewussten und veröffentlichten Hinwendung ausschließlich zu Patienteninteressen und der Schaffung einer erkennbaren Distanz zu den Klinikbetreibern aus deren Sicht als Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren nicht mehr als unvoreingenommen anzusehen ist.

Ergänzend hat der Senat ausgeführt, dass der Sachverständigen bei der Erstattung seines Gutachtens vor dem Landgericht die Grenzen seines Gutachtenauftrags überschritten und zu Themen Stellung genommen hat, zu denen er nicht beauftragt war.

Im Anschluss an den Beschluss des Senats wird nun das Landgericht über die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu entscheiden haben.

Hintergrund:
Nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§ 42 Abs. 1 u. 2 ZPO). Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unabhängigkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Koblenz, 30.01.2013