Eingliederungshilfe oder Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung - Zuständigkeitsstreitigkeiten – Einstweilige Anordnung des Sozialgerichts

Soziales und Sozialversicherung
31.01.2014968 Mal gelesen
Zuständigkeitsstreitigkeiten der Sozialleistungsträger können zu erheblichen Zeitverzögerungen bei der Bewilligung dringend benötigter Leistungen führen.

Wenn ohne eine schnelle Hilfe anderenfalls schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile zu befürchten sind, die durch eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden können, können Ansprüche im Eilverfahren durchgesetzt werden.

Das Sozialgericht Hannover hat in einem Beschluss vom 24.01.2014 die Techniker Krankenkasse verpflichtet, einem Fünftklässler, der unter einem Asperger Autismus mit komorbider Aufmerksamkeitsdefizitstörung sowie fein- und graphomotorischen Defiziten leidet, die Kosten einer erweiterten Anwenderschulung für den Einsatz einer Software für den Schüler selbst, seine Eltern und seine zuständige Lehrer zu übernehmen sowie außerdem die Kosten der Digitalisierung von schulischen Arbeitsmaterialien zu übernehmen.

Aufgrund der vorhandenen Behinderungen hatte die Landeshauptstadt Hannover einen Schulhelfer als Eingliederungshilfe bewilligt. Außerdem setzt der Schüler aufgrund seiner graphomotorischen Schwierigkeiten sowohl im Unterricht als auch zuhause jeweils einen Computer ein, um schriftliche Aufgaben zu lösen. Hierfür hatte die Krankenkasse im Rahmen der Hilfsmittelversorgung eine Kleinfeldtastatur inklusive Zubehör sowie eine Multitextsoftware bewilligt. Diese Hilfsmittel sind jedoch nicht ohne spezielle Nutzerschulung anwendbar, wobei auch die Eltern und die Lehrer geschult werden müssen. Außerdem sind die schulischen Arbeitsmaterialien zu digitalisieren, damit der Schüler sie an seinen Computern überhaupt bearbeiten kann.

Die erweiterte Schulung sowie die Digitalisierung wurden von der Krankenkasse verweigert.

Die Eltern hatten den Antrag allerdings zunächst bei der Landeshauptstadt Hannover als Trägerin der Eingliederungshilfe gestellt. Die Stadt Hannover leitete diesen Antrag umgehend an die Krankenkasse weiter, die den Antrag ablehnte, weil sie der Meinung war, dass eine Schulung Dritter nicht geschuldet sei. Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch eingelegt. Das Widerspruchsverfahren verzögerte sich erheblich. Die bereits erbrachten Hilfen drohten leerzulaufen. Es bestand die Gefahr eines Leistungsrückstandes.

Das Sozialgericht stellte im Beschluss vom 24.1.2014 fest, dass die Krankenkasse im Rahmen der Hilfsmittelversorgung auch sämtliche erforderlichen Schulungsmaßnahme zu erbringen habe. Denn die Ausbildung im Gebrauch eines Hilfsmittels bezieht sich auch auf solche Personen, die dem Behinderten dabei helfen, das Hilfsmittel zu benutzen. Würde die Anwenderschulung lediglich auf den Schüler selbst beschränkt, bestünde nach Auffassung des Gerichts die Gefahr, dass dieser - gerade auch im Hinblick darauf, dass die Nutzung des Geräts noch nicht sehr lange erfolgt - bei der Nutzung der Software auf sich allein gestellt ist und überfordert werden könnte. Zu berücksichtigen sei auch, dass er nicht nur die Lerninhalte des Unterrichts verstehen und verinnerlichen muss, sondern zudem die Bedienung der Software von ihm zu bewerkstelligen ist. Insoweit sei eine Hilfestellung angezeigt.

Der Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Digitalisierung der schulischen Arbeitsmaterialien sei als Leistung der Eingliederungshilfe begründet. Dies sei zwar dem Grunde nach eine sozialhilferechtliche Leistung und falle an sich nicht in die Zuständigkeit der Krankenkasse, sondern der Landeshautstadt Hannover. Diese habe den Antrag jedoch umgehend an die Techniker Krankenkasse weitergeleitet. Aufgrund der speziellen Vorschrift des § 14 SGB IX sei die Techniker Krankenkasse nunmehr verpflichtet, nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen Leistungen zu erbringen, also auch Eingliederungshilfe.

Sozialgericht Hannover - 24. 1. 2014 - S 2 KR 885/13 ER

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Krankenkasse kann binnen eines Monats Beschwerde beim Landessozialgericht einlegen.

 

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