Ein Rabbiner kann vor staatlichen Gerichten keine Kündigungsschutzklage erheben

Ein Rabbiner kann vor staatlichen Gerichten keine Kündigungsschutzklage erheben
10.06.2013397 Mal gelesen
Kündigungsschutzklagen eines Rabbiners können nach Ansicht des Arbeitsgerichts Freiburg vor den Arbeitsgerichten nicht erhoben werden, soweit die Religionsgemeinschaft für Streitigkeiten mit Rabbinern die Zuständigkeit einer eigenen Gerichtsbarkeit vorsieht, die bislang noch nicht angerufen wurde.

Der 1939 geborene Geistliche ist seit dem 15. März 1998 bei der Gemeinde als Rabbiner tätig. Die Gemeinde in Freiburg ist in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert. Zwischen den Parteien wurde ein Dienstvertrag geschlossen. Dort heißt es unter anderem:

"Gemäß Mehrheitsbeschluss der Gemeindeversammlung vom 15. März 998 wird Rabbi S. seitens der Gemeinde zum Gemeinderabbiner  .. ernannt und ist berechtigt, diesen Titel seit diesem Datum zu führen. ..

Rabbi S. amtiert ab sofort als Gemeinderabbiner  . und trifft somit für die . und deren Mitglieder bindende Entscheidungen in allen halachischen Fragen und überwacht auch die Einhaltung der Halacha in allen, die Gemeinde  und deren Mitglieder betreffenden Angelegenheiten. Hierzu gehört ausdrücklich auch die Überprüfung der Zugehörigkeit zum Judentum der Mitglieder, bzw. Anwärtern auf die Mitgliedschaft. Des weiteren amtiert Rabbi S. bei Gottesdiensten, Beschneidungen, Bar und Bat Mitzwot, Trauungen, Beerdigungen und allen anderen religiösen Zeremonien nach Absprache mit dem Vorstand der Gemeinde. .

Dieser Vertrag wird auf Lebenszeit geschlossen. Er kann seitens Rabbi S. jederzeit aus wichtigem Grunde gekündigt werden, insbesondere bei unüberwindbaren Differenzen mit der Gemeinde. Sollte die Gemeinde eine Auflösung wünschen, so ist an Rabbi S. eine Abfindung in Höhe von mindestens dem 36-fachen der monatlichen Basispauschale zu bezahlen. Die Vertragsparteien verständigen sich darauf, in allen, diesen Vertrag betreffenden Streitfragen das Schied- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland anzurufen und dessen Urteil bindend anzuerkennen."

 

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2010  erklärte die Gemeinde, dass sie die Dienste des Rabbiners für die jüdische Gemeinde ab sofort nicht mehr in Anspruch nehmen werde, dass der Rabbiner ab dem kommenden Freitag und Samstag nicht mehr zu kommen brauche sowie dass seine Honorarzahlungen ab dem nächsten Monat eingestellt würden. Die  Gemeinde erklärte mit Schreiben vom 21. Januar 2011 und vom 27.01.2011 die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund.

Weder der Rabbiner, noch die Gemeinde haben bisher das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland angerufen.

Der Rabbiner erhebt Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Freiburg.

Der Rabbiner meint, das vorliegende Verfahren sei der weltlichen Gerichtsbarkeit nicht entzogen. In Streit stehe allein das "weltliche" Vertragsverhältnis zwischen ihm und der  Gemeinde, welches in der Form eines Dienstvertrages geschlossen worden sei. Insoweit habe sich die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgabe eines Gestaltungsmittels des staatlichen Rechts bedient. Unabhängig von der religiösen Einordnung der Gemeinde sei zwischen den Parteien ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag geschlossen worden. Für diesen Vertrag betreffenden Streitigkeiten seien die staatlichen Gerichte zuständig.

Die Gemeinde beantragt Klagabweisung und beruft sich auf die Unzulässigkeit der Klagerhebung.

Das Gericht weist die Klage als unzulässig ab.

Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte für Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft beantwortet sich nach dem Grundgesetz und der Weimarer Reichsverfassung. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinde. Hiermit erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind. Infolge der öffentlichen Rechtsstellung der Kirchen sei kirchliche Gewalt zwar öffentliche, aber nicht staatliche Gewalt. Ist die Kirche nur im innerkirchlichen Bereich tätig geworden, liege somit kein Akt öffentlicher Gewalt vor, gegen den der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet wäre. Ob bestimmtes kirchliches Handeln dem innerkirchlichen Bereich zuzurechnen ist, entscheidet sich danach, was inhaltlich, der Natur der Sache oder der Zweckbeziehung nach als eigene Angelegenheit der Kirche anzusehen ist. In diesem Bereich ist die Kirche nicht an das für alle geltende staatliche Gesetz gebunden.

Zu dem innerkirchlichen Bereich der Religionsgesellschaft, in dem die staatliche Gerichtsbarkeit in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften nicht eingreifen kann, gehören vor allem geistlich-seelsorgerische Angelegenheiten.

Im vorliegenden Fall hat die Gemeinde die Anrufung eines eigenen Schieds- und Verwaltungsgerichtes vorgesehen. Im Dienstvertrages heißt es, dass die Vertragsparteien sich darauf verständigen, in allen diesen Vertrag betreffenden Streitfragen das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland anzurufen und dessen Urteil bindend anzuerkennen. Durch diese Klausel komme in hinreichender Form der Wunsch der Gemeinde zum Ausdruck, die möglicherweise entstehenden Rechtsstreitigkeiten von einem Gericht der Religionsgemeinschaft beurteilen zu lassen.

Der Rabbiner hat sich bislang noch nicht an das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland gewandt. Darüber hinaus hat er keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass durch eine Verweisung auf die nichtstaatlichen Gerichte sein von der Verfassung garantierter Justizgewährungsanspruch vereitelt würde.

Nach alledem ist die Klage als (zumindest derzeit) unzulässig abzuweisen.

 

(Quelle: Arbeitsgericht Freiburg, Urteil vom 04.3.2011; 4 Ca 12/11)

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