Ein amtsärztliches Gutachten muss im Zurruhesetzungsverfahren bei dynamischen Krankheitsverlauf aktuell sein

Arbeitsrecht Kündigung
30.10.2016712 Mal gelesen
Das Verwaltungsgericht Postdam hat in einem Zurruhesetzungsverfahren gegenüber einer Lehrerin entschieden, dass eine Zurruhesetzungsverfügung sich nicht mehr auf ein 12 bzw. 11 Monate altes Gutachten stützen kann, wenn es sich um einen dynamischen Krankheitsverlauf mit Besserungstendenz handele und die Ruhestandsentscheidung des beklagten Landes aufgehoben.

Zum Sachverhalt: 

Die Klägerin war mit Zurruhesetzungsbescheid vom 25. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2014 in den Ruhestand versetzt worden, weil sie seit dem 20. Juni 2011 ununterbrochen dienstunfähig gewesen sei und die vorliegenden amtsärztlichen Stellungnahmen vom 30. August 2012 und 24. Juni 2013 zum Ergebnis der dauernden Dienstunfähigkeit gelangt seien, da auch bei laufender Behandlung nicht mit einer Wiederherstellung einer (begrenzten) Dienstfähigkeit für den Schuldienst innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen sei. Hiergegen erhob die Beamtin Klage und machte u.a. geltend, dass das beklagte Land seiner Suchpflicht nicht nachgekommen sei.


Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam: 

Das Verwaltungsgericht Postdam gab der Beamtin recht. Es stellte zunächst fest, dass es für die Rechtmäßigkeit einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankomme, hier also bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2014. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) nicht (mehr) vor, so das Gericht weiter. Denn es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt (noch) dienstunfähig war. Vielmehr bestünden hieran Zweifel, die mangels weitergehender Aufklärungsmöglichkeiten aufgrund der vom Beklagten zu tragenden Beweislast für das Bestehen der Dienstunfähigkeit, zum Erfolg der Klage für die Klägerin führen mussten. Der Beklagte könne sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf das amtsärztliche Gutachten vom 24. Juni 2013 und die zugrunde liegenden Untersuchungen vom 3. Mai 2013 und 11. Juni 2013 stützen, denn angesichts des erkennbar dynamischen Krankheitsverlaufs lagen keine im Mai 2014 noch aktuellen Erkenntnisse über den Gesundheitszustand der Klägerin vor. (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 27. Juli 2016 - 2 K 1331/14 -, Rn. 27, juris).

Fazit: 

In Zurruhesetzungsfällen ist immer wieder streitgegenständlich, wie aktuell ein amtsärztliches Gutachten sein muss. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Postdam ist insoweit bemerkenswert, als hier das Gutachten zum  Zeitpunkt der eigentlichen Zurruhesetzungsentscheidung lediglich 4 Monate alt war. Erst durch die Bearbeitungszeit im Widerspruchsverfahren entstanden die 11 bzw. 12 Monate Dauer zwischen der Gutachtenerstellung und der Widerspruchsentscheidung, die im vorliegenden Verfahren genügt haben, um den Zurruhesetzungsbescheid rechtswidrig zu machen. Beamtinnen und Beamte, die sich mit einer Einleitungsverfügung konfrontiert sehen, sollten bei Erkrankungen mit erkennbarer Besserungstendenz auf einer Nachbegutachtung im Widerspruchsverfahren bestehen bzw. gegen eine Zurruhesetzung, die auf nicht mehr aktuellen Gutachten basiert, Rechtsmittel einlegen. Mitgeteilt und bearbeitet von Rechtsanwalt Jan General, www.kanzlei-general.de (Mitglied der Bundesvereinigung Öffentliches Recht, BOER e.V.).