Die Vornahme einer schwerwiegenden Operation ohne zuvor gesicherte Diagnose kann als grober Behandlungsfehler zu werten sein.

Die Vornahme einer schwerwiegenden Operation ohne zuvor gesicherte Diagnose kann als grober Behandlungsfehler zu werten sein.
22.01.2017407 Mal gelesen
OLG Hamm zu Frage des Vorliegens eines groben Behandlungsfehlers bei einer OP der Halswirbelsäule

Die Vornahme einer schwerwiegenden Operation ohne zuvor gesicherte Diagnose kann als grober Behandlungsfehler zu werten sein.

Dies hat das OLG Hamm hat durch Urteil vom 11.11.2016 - 26 U 111/15 entschieden.

Folgendes war passiert:

Die 1960 geborene Klägerin litt als Krankenschwester über Jahre an Rückenschmerzen, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule.

Im Rahmen einer bei der Beklagten während der stationären Behandlung vorgenommenen radiologischen Untersuchung wurden im Bereich der Halswirbelsäule u. a. altersbedingte Abnutzungserscheinungen (Arthrosen) der Wirbelkörper, sowie eine Instabilität zwischen den Wirbelkörpern C3 und C4, Abnutzungserscheinungen im linken Schultergelenk sowie Arthrosen im Bereich der Wirbelkörper L4 bis S 1 festgestellt.

Extern wurde ein MRT gefertigt. Ohne Bezugnahme auf das MRT empfahlen die Ärzte der Beklagten der Klägerin eine operative Behandlung. Auch der die Klägerin behandelnde Orthopäde, dem das MRT vorlag, riet ihr dazu.

Vier Wochen nach einem Vorgespräch wurde die OP durchgeführt. Es wurde eine Bandscheibenprothese C3/4 eingesetzt sowie ventrale Fusion C4-7 durchgeführt.

Im Anschluss an die Operation wurde eine zunehmende Schwäche aller Extremitäten festgestellt. Die Klägerin konnte nur noch den rechten Arm und die Zehen bewegen. Sie hatte kein Empfindungsvermögen mehr. Die Klägerin ist seit dem Eingriff ab dem Hals abwärts querschnittsgelähmt.

Das Landgericht hat die Beklagte nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Zahlung von 400.000 EUR Schmerzensgeld verurteilt sowie deren Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher materieller Schäden der Klägerin festgestellt. Die Beklagte habe es grob fehlerhaft unterlassen, vor der Operation weitere neurologische Untersuchungen durchführen zu lassen. Diese seien für die Stellung der Operationsindikation erforderlich gewesen. Die relativ rasche Befundsverschlechterung habe für andere Ursachen als knöcherne Veränderungen gesprochen. Durch diese unterlassene weitere Befunderhebung habe es keine sichere Diagnose gegeben. Durch die Operation sei es zu einer kompletten Querschnittslähmung unterhalb C 3/4 gekommen, so dass selbst eine eigenständige dauerhafte Atmung für die Klägerin nicht mehr möglich sei. Ebenso bestehe eine Störung der Magen-Darm-Funktion. Eine psychische Belastung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht habe das Landgericht mehrere teils einfache, teils grobe Behandlungsfehler festgestellt und die Behandlung der in der Gesamtschau als grob fehlerhaft angesehen. Der Sachverständige sei dabei geblieben, dass eine unvollständige Befunderhebung stattgefunden habe und die Operation weder dem Grunde noch der Form nach indiziert gewesen sei.

Zudem sei die Ärzte der Beklagten eine unvertretbare Diagnose vorzuwerfen. Eine Instabilität C 3/4 sei durch die vorgenommene Bildgebung gerade nicht nachgewiesen worden, da sie weder im CT noch im Kernspin erkennbar sei.

Ferner bestand allenfalls keine absolute, sondern lediglich eine relative OP-Indikation. Ein Rat zum Abwarten wäre gleichermäßen vertretbar gewesen.

Über derlei alternative Behandlungsmöglichkeiten sei die Klägerin nicht und somit unzureichend aufgeklärt worden.

Schließlich sei die von den Beklagten gewählte Operationsmethode kontraindiziert gewesen, da mehr als drei Etagen der Halswirbelsäule operativ behandelt werden mussten.

In der Gesamtschau seien das zugesprochene Schmerzensgeld von 400.000 EUR und die Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht der Beklagten nicht zu beanstanden.

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