Die Auswechslung von Stammarbeitnehmern durch Leiharbeitnehmer – Grenzen der Zulässigkeit

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03.01.20116653 Mal gelesen
Der Beitrag widmet sich der Schnittstelle zwischen der Beschäftigung von Stammarbeitnehmern und dem Einsatz von Zeitarbeit. Wo liegen die Grenzen von Austauschstrategien im Allgemeinen und bei bestimmten Fallkonstellationen wie befristet Beschäftigten oder hinsichtlich des Kündigungsschutzes im Besonderen.

I. Einleitung

 

Anfang des Jahres 2010 wurde die umfangreiche Personalaustauschstrategie der Drogeriekette Schlecker massiv öffentlich kritisiert.

Dahinter stand das Konzept, bestehende Arbeitsverhältnisse zu beenden und die Weiterbeschäftigung in einem Zeitarbeitsunternehmen anzubieten, um das zuvor gekündigte Personal an den gleichen Arbeitsplatz nunmehr im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung einzusetzen.

Dem Konzern kamen dadurch weitreichende Einsparungen an Personalkosten zugute, da die Stundenverrechnungssätze des Zeitarbeitsunternehmens weit unter den tariflichen Stundenlöhnen für den Einzelhandel lagen. Der beteiligte Personaldienstleister Meniar Personalservice GmbH, eigens dafür durch den Schlecker Konzern gegründet, wendet den Zeitarbeit Tarifvertrags AMP/CGZP an, wodurch einige Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn von 6,50 € entlohnt wurden.

 

Dank der umfassenden Einigung zwischen dem Unternehmen Schlecker und der Gewerkschaft ver.di auf die flächendeckende Geltung des baden-württembergischen Einzelhandel Tarifvertrags hat sich diese Strategie nicht durchgesetzt.   

 

Fraglich bleibt die rechtliche Zulässigkeit der Ersetzung von Stammpersonal durch Zeitarbeiter. Der folgende Beitrag soll Einblick in die Rechtmäßigkeit von Austauschstrategien und deren Grenzen geben.

  

II. Einsatz von Zeitarbeit im Unternehmen

 

a. auf eine freie Stelle.

Soweit im Unternehmen freie Arbeitsplätze zu besetzen sind, steht es dem Arbeitgeber frei, zu entscheiden, auf welche Weise er die Besetzung vornimmt. Unabhängig von der Dauer des Beschäftigungsbedarfs, kann sich der Arbeitgeber frei entscheiden, ob und wie darauf zu reagieren ist. Auch die Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern ist zulässig. Weder das AÜG noch anderweitige arbeitsrechtliche Vorschriften sehen insoweit zeitliche Begrenzungen vor.

 

b. auf eine besetze Stelle.

Muss für den Einsatz von Zeitarbeitern zunächst der mit einem Stammarbeitnehmer besetze Arbeitsplatz frei gekündigt werden, sind die Voraussetzung der betriebsbedingten Kündigung zu erfüllen.

Insbesondere muss gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) die Kündigung des Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse geboten sein. Die Kündigung zum Zwecke der Besetzung des Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer erfüllt aber diese Anforderungen nicht. So hat bereits das BAG (Urteil vom 26.09.1996 Az. 2 AZR 200/96; Urteil 16.12.2004 Az. 2 AZR 66/04) mehrfach die Austauschkündigung für unzulässig erklärt, weil weder eine Gesamtumstrukturierung vorliegt noch der Beschäftigungsbedarf entfällt. Soweit das Unternehmen sich gezwungen sieht, die Arbeitsbedingungen zu ändern, steht ihm das Instrument der Änderungskündigung zur Verfügung.   

 

c. wenn Stammarbeitnehmer in Teilzeit beschäftigt werden.

Sind im Unternehmen Arbeitnehmer auf Teilzeitbasis beschäftigt und haben gegenüber dem Arbeitgeber den Wunsch auf Aufstockung ihrer Arbeitszeit geäußert, stellt sich die Frage, ob dies der arbeitgeberseitigen Entscheidung auf Besetzung freier Stellen mit Leiharbeit entgegen steht.  

Grundsätzlich steht dem aufstockungswilligen Arbeitnehmer nach § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ein Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit zu, wenn ein freier Arbeitsplatz zu besetzen ist, der Teilzeitbeschäftigte für die freie Stelle geeignet ist und nicht dringende betriebliche Gründe dagegen sprechen.  

Den Voraussetzungen des Aufstockungsanspruchs nach, muss ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn es zu zusätzlichem Beschäftigungsbedarf kommt z.B. durch einen Großauftrag oder anhaltender Nachfrage. Es ist dann nicht sicher, dass hierbei tatsächlich langfristig neue Arbeitsplätze entstehen oder es sich nur um eine kurzweilige Veränderung handelt. Der Arbeitgeber entscheidet grundsätzlich frei, wie er auf die geänderte Situation reagiert. Er kann Mehrarbeit der bisherigen Belegschaft anordnen, befristet zusätzliches Personal beschäftigen oder Leiharbeitnehmer einsetzen.

Der Aufstockungsanspruch des Teilzeitbeschäftigten berechtigt ihn nicht, vom Arbeitgeber die Schaffung eines neuen Dauerarbeitsplatzes zu verlangen, den es bisher nicht gegeben hat. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen des § 9 TzBfG nicht vor.

 

Anders liegt der Fall, wenn tatsächlich ein freier Arbeitsplatz neu besetzt werden soll z.B. weil ein Arbeitnehmer ausgeschieden ist oder versetzt wurde. Hierbei ist der Arbeitgeber an den Aufstockungswunsch des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers gebunden und kann nicht zwischen der Aufstockung auf Vollzeit oder dem Einsatz von Zeitarbeit wählen. Der Anspruch ist einklagbar.

 

d. wenn Stammarbeitnehmer befristet beschäftigt werden.

Der Arbeitgeber entscheidet grundsätzlich frei darüber, in welcher Form er Arbeitsverträge anbietet. Bei einer wirksamen Befristungsabrede kann auch dann kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung entstehen, wenn der Beschäftigungsbedarf als solcher nach Fristablauf nicht entfällt. Das BAG hat mit seinem Urteil vom 18.10.2006 (Az: 7 AZR 145/06) selbst die Konstellation für rechtmäßig erklärt, dass ein vormals im Unternehmen befristet beschäftigter Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer an seinen angestammten Arbeitsplatz zurück kehrt.

 

Dies gilt jedoch nur, sofern für die Befristung nicht der Grund des "vorübergehenden Bedarfs" nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gewählt wurde. Ein vorübergehender Bedarf an Arbeitsleistung liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber im vertraglichen Einsatzbereich des Arbeitnehmers ständig Leiharbeitnehmer beschäftigt. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsvertrag weiterzuführen und den, mit dem Leiharbeitnehmer besetzen Arbeitsplatz freizumachen. 

 

e. im Rahmen des Kündigungsschutzes von Stammarbeitnehmern.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz im selben Unternehmen, zu vergleichbaren Bedingungen weiterbeschäftigt werden kann. Es stellt sich demnach die Frage, ob die mit Leiharbeitnehmern besetzen Stellen als frei im Sinne des Kündigungsschutzes gelten. Wegweisende höchstrichterliche Entscheidungen fehlen zu diesem Punkt. Plausibel erscheint die Ansicht, über das Freisein eines Arbeitsplatzes im Sinne des Kündigungsschutzes danach zu entscheiden, ob der Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt oder dieser lediglich für vorübergehenden Mehrbedarf beschäftigt wird. Vergleichbar mit der Situation von Teilzeitbeschäftigen, kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, einen neuen Dauerarbeitsplatz zu schaffen. Besteht ein solcher jedoch bereits, stellt dieser eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit dar und der Arbeitgeber muss den Einsatz des Leiharbeitnehmers beenden. Eine betriebsbedingte Kündigung wäre in diesem Fall unwirksam.

  

III. Personalaustausch und Betriebsrat

 

Ist im Unternehmen ein Betriebsrat gewählt, so ist er gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei Personalmaßnahmen zu beteiligen und seine Zustimmung zur geplanten Änderung einzuholen. Will der Arbeitgeber eine unbefristete Einstellung vornehmen, kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn dadurch ein gleich geeigneter befristet Beschäftigter nicht berücksichtigt wird.

Ob auch für den Fall ein Zustimmungsverweigerungsrecht besteht, das der Arbeitgeber die Stelle mit einem Leiharbeitnehmer besetzen will, wurde vom BAG durch Urteil vom 25.1.2005 (Az. 1 ABR 61/03) entschieden. Darin verneint das Gericht ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats mit der Begründung, dass in dieser Konstellation nicht zwei Arbeitnehmer um eine Stelle konkurrieren, da mit dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis gar nicht begründet werden soll. Soweit sich mit der Einstellung von Leiharbeitnehmern die bloßen Chancen von Stammarbeitnehmern des Entleihers auf eine Verlängerung des eigenen befristeten Arbeitsverhältnisses verringern sollten, liegt darin kein rechtlich bedeutsamer Nachteil, auf den der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung stützten könnte.

  

IV. BAG-Rechtsprechung zum Personalaustausch

 

Das höchstinstanzliche Bundesarbeitsgericht (BAG), hat entschieden, dass die Verlagerung von Tätigkeiten auf Dienstleister, also das klassische Outsourcing rechtmäßig ist. In seiner Entscheidung vom 13.03.2008 (Az: 2 AZR 1037/06) führt das Gericht aus, der Arbeitgeber sei nicht gezwungen, den Bedarf an Leistungen ausschließlich durch Arbeitsverträge zu decken. Er kann vielmehr auf jeden rechtlich zulässigen Vertragstyp zurückgreifen.

Betriebsbedingte Kündigungen sind nach den Grundsätzen des Kündigungsschutzes rechtmäßig, wenn im Rahmen einer Gesamtumstrukturierung die bisher von unternehmesangehörigen Arbeitnehmern erbrachte Arbeitsleistung nunmehr von Dienstleistern bezogen wird. Die unternehmerische Entscheidung als solche, wird von den Gerichten nicht auf Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit hin überprüft. Solange sie nicht ganz offensichtlich unvernünftig und willkürlich ist, - was der Arbeitnehmer zu beweisen hätte - überwiegt hierbei die unternehmerische Handlungsfreiheit (BAG Urteil vom 09.05.1996 Az. 2 AZR 438/95).

 

Abweichend vom Outsourcing-Urteil, hat das BAG im Urteil vom 17.01.2007 (Az: 7 AZR 20/06) entschieden, dass die Befristung von Arbeitsverträgen mit unternehmenseigenen Arbeitskräften in Vorbereitung auf die Umstellung des gesamten Personals auf Zeitarbeit nicht rechtmäßig ist. Es argumentierte, dass der Beschäftigungsbedarf im Unternehmen nicht entfallen sei, die Tätigkeit weiterhin weisungsgebunden erfolgen solle und es keinen Unterschied mache, ob die Arbeit von eigenen oder von Leiharbeitnehmern erbracht werde.

 

Damit folgt das BAG seiner Linie, die es bereits bei der Austauschkündigung festgelegt hat (siehe oben II.b.).

Das ausschlaggebende Argument ist dabei die abhängige Beschäftigung mit der der Arbeitgeber weiterhin seinen Beschäftigungsbedarf decken will.

 

Entscheidet sich der Arbeitgeber für das Outsourcing, beauftragt also ein externes Unternehmen mit der Erbringung der ausgelagerten Dienstleistung, gibt er sein Weisungsrecht aus der Hand und nimmt die Stellung eines Auftraggebers ein, der zwar die Vertragsdurchführung regeln, nicht jedoch die engeren Umstände (Arbeitszeit, Urlaub der Mitarbeiter, etc.) festlegen kann, wie es ihm durch das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erlaubt wäre.

 

Entscheidet sich der Arbeitgeber dafür, sein Personal zukünftig nicht mehr mittels Arbeitsverträge selbst zu beschäftigen sondern die Personalbeschaffung von externen Anbietern durchführen zu lassen, so bestimmt das BAG, diese Form von Outsourcing als nicht zulässig, da weiterhin die Arbeit von abhängig beschäftigtem Personal erbracht werden soll, das dem Weisungsrecht unterliegt.

 

Geht man davon aus, dass der externe Dienstleister beim klassischen Outsourcing ebenfalls Arbeitnehmer zur Erbringung seiner vertraglichen Verpflichtung beschäftigt, kommt es demnach nur darauf an, wem das Weisungsrecht obliegt.

 

Wird die Dienstleistung extern bezogen, übt das externe Unternehmen das Direktionsrecht über die beschäftigten Arbeitnehmer aus und nicht das Unternehmen, das als Auftraggeber die Dienstleistung bezieht.

 

Werden im Unternehmen Leiharbeitnehmer eingesetzt, die grundsätzlich auch bei einem externen Dienstleister angestellt sind, übt da Weisungsrecht jedoch das entleihende Unternehmen aus. Dieses wird im Überlassungsvertrag übertragen. Damit behält der Entleiher dem Grunde nach die Arbeitgeberposition bei ohne sich jedoch auch hinsichtlich der Verpflichtungen eines Arbeitgebers zu binden.

 

Im Ergebnis kommt es für die Zulässigkeit von Personalaustausch also nicht darauf an, über welche Vertragsart der Arbeitgeber die Leistung bezieht, sondern wie die Leistungserbringung faktisch gesteuert wird. An diesem Punkt werden die Unterschiede zwischen den Vertragsverhältnissen deutlich.