Der Kampf gegen Mietnomaden - Entwurf der Bundesregierung

Miete und Wohnungseigentum
03.07.20111471 Mal gelesen
Das Bundesjustizministerium hat am 11.5.2011 einen Referentenentwurf für ein MietrechtsÄnderungsGesetz veröffentlicht. Dieser Entwurf enthält auch einige geplante Normen, die die Räumung von Mietnomaden erleichtern soll. Der nachfolgende Artikel nimmt die Regelungen kritisch unter die Lupe.

Durch die häufige Presseberichterstattung in Print und Fernsehen über Mietnomaden wird der Eindruck erweckt, dass an jeder Ecke ein Mietnomade lauert, der arme Hausbesitzer in den Ruin treiben will.

Diese Gefahr   will der Gesetzgeber nun durch neue Gesetze eindämmen. Das Bundesjustizministerium hat nun einen Referentenentwurf (hier die Gegenüberstellung der bisherigen und der neu geplanten BGB-Normen)veröffentlicht, der - unter anderem - auch die Gesetzesänderung enthält, die dem Vermieter die Mittel an die Hand geben sollen, Mietnomaden schnell und effizient aus der Wohnung zu entsetzen.

Aber sind die Mittel auch in der Praxis geeignet ?

Folgende Mittel will der Gesetzgeber dem Vermieter zur Bekämpfung von Mietnomaden an die Hand geben:

1. Außerordentliche Kündigung wegen fehlender Kaution

Der Gesetzgeber möchte in § 569 BGB einen Absatz 3a einfügen, wonach der Vermieter berechtigt ist, das Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen, wenn die Kaution nicht rechtzeitig gezahlt wird. Nach § 551 BGB ist die Kaution auch in 3 Raten zahlbar und - neben der Miete - muss bis spätestens zum 3 Monat nach Beginn des Mietverhältnisses entrichtet sein (siehe meine Besprechung). Gleichzeitig soll aber dem Mieter gemäß § 569 Abs 3 Nr 2 Satz 1 BGB die Möglichkeit gegeben werden, die fristlose Kündigung durch eine Zahlung der Kaution bis spätestens 2 Monate nach Erhebung der Räumungsklage seitens des Vermieters  unwirksam werden zu lassen.

Neben dieser materiellen Norm sollen Mietnomanden vor allem durch prozessuale Möglichkeiten "bekämpft" werden können:

2. Hinterlegung der zukünftigen Mieten

Als "Hauptmittel" der Mietnomadenbekämpfung soll die sogenannte Hinterlegung gemäß der neu einzufügenden § 302a ZPO iVm § 940a ABs 3 ZPO dienen. Nach § 302a ZPO ist bei "hoher Erfolgsaussicht einer Klageerweiterung auf die zukünftigen Zahlungen" sowie einer Abwägung   der Interessen der Parteien das Gericht berechtigt, dem Beklagten die Hinterlegung der seit Rechtshängigkeit geschuldeten Beträge aufzuerlegen. Bezogen auf ein Mietverhältnis bedeutet dies, dass das Gericht anordnen kann, dass der Mieter die seit Rechtshängigkeit fälligen Mieten bei Gericht hinterlegen muss, um die Ansprüche des Klägers zu sichern.

3. Räumung durch einstweilige Verfügung gemäß § 940a ZPO

Folgt der Beklagte dieser Anordnung eines Gerichts nicht, kommt die Rechtsfolge des  neuen § 940a Abs 3 ZPO in Betracht. Danach kann das Prozessgerichtim laufenden Verfahren eine einstweilige Verfügung zur Räumung des Wohnraums erlassen. Allerdings ist der Beklagte vor Erlass einer solchen Verfügung schriftlich oder mündlich zu hören. Im Klartext bedeutet dies, dass der Beklagte, der nicht die Miete hinterlegt, durch eine einstweilige Verfügung, die unabhängig von einem Widerspruch sofort vollstreckbar ist, durch Zwang (=Vollstreckungsmaßnahmen) vor die Tür gesetzt werden kann.

Aus den Gesetzesentwürfen wird offensichtlich, auf welchen typisierten Mietnomadenfall sich die Normen beziehen:

"Mietnomade zieht ein, zahlt keine Kaution, zahlt von Anfang an keine Miete und lässt sich verklagen, bringt im Verfahren vor dem Amtsgericht fadenscheinige Argumente der Nichtzahlung und wartet ab bis kurz vor der Räumung um dann bei Nacht und Nebel unter Zurücklassung von Müllbergen auf Nimmerwidersehen zu verschwinden (siehe obige Berichte)"

Ganz ehrlich, einen solchen Fall hatte ich in meiner bisherigen mietrechtlichen Praxis noch nicht. Ich hatte Fälle, in denen der Verdacht eines  "Mietnomadentums" im Raum stand, aber es fehlte eben immer diese Eindeutigkeit. Für die eindeutigen Fälle, die nach oben genanntem Beispiel ablaufen, werden die Änderungen hilfreich sein, da Sie das Verfahren beschleunigen. Aber ich vermute, dass Die Zahl derart eindeutiger Fälle in Deutschland unter 100 liegen dürfte.

Kritisch sind die "üblichen" Fälle im Mietrecht:

Fall 1 - der in persönliche Not geratene Mieter:

"Mieter zieht ein, alles Friede, Freude Eierkuchen, auch die Kaution wird gezahlt. Auch die Miete wird über 5 Monate oder 5 Jahre ordnungsgemäß gezahlt. Auf Grund persönlicher Umstände (Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Streit mit dem Vermieter, oder sonstiges) wird dann die Zahlung der Miete verringert oder eingestellt. Gegenüber dem Vermieter wird die fehlende Zahlung meist mit Mängeln oder fehlenden Zahlungen des Arbeitgebers/Arge oder anderen begründet. Der Vermieter zeigt meist noch 2-3 Monate geduldet bis er doch zur Kündigung greift. Der Begriff "Mietnomade" ist schnell bei der Hand, auch wenn es sich hier nicht um den Mietnomadenfall handelt."

In diesen Fällen, die oft über das Sozialamt gelöst werden, welches die Mietzahlungen übernimmt, könnten die neuen Regelungen zu erheblichen Verwerfungen führen.  Denn dem Grunde nach liegen auch in diesen Fällen  alle Vorraussetzungen für die Hinterlegung vor. Und soweit nicht das Amt rechtzeitig genug von der Räumungsklage erfährt, könnte der Vermieter über die einstweilige Verfügung nach § 940a ZPO  vollendete Tatsachen schaffen. Dies liegt durachaus im Bereich des Wahrscheinlichen, in Hamburg wird auf eine Räumungsklage hin der Beklagte vom zuständigen Amt angeschrieben. Rührt sich der Beklagte nicht (was oft vorkommt), wird das Amt auch nicht tätig.  Hier könnte daher die Gefahr bestehen, dass durch die einstweilige Verfügung die Obdachlosigkeit von Hilfebedürftigen forciert wird, denn jeder ökonomisch denkender Vermieter wird den kürzestmöglichen Weg nehmen um die Wohnung neu vermieten zu können.

Fall 2 "Der Mietnomade mit Rechtskenntnissen":

"Mieter zieht ein, zahlt Kaution, zahlt kurz Miete, meldet Mietmängel und beginnt mit hoher Minderung und Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten, so dass keine Miete mehr gezahlt wird."

In diesem Fall ist das neue Gesetz ein stumpfes Schwert. Denn bereits für den Hinterlegungsanspruch wird eine "hohe Erfolgsaussicht" verlangt. Sobald der Mieter hier substantiiert darlegt, dass ein Mangel vorliegt (bzw. vorliegen könnte), wird sich wohl kaum ein Richter auf die Hinterlegung einlassen.Und ohne Hinterlegung ist auch der Vermieter nicht besser abgesichert.

Zusammenfassend ist die Kündigungsmöglichkeit wegen fehlender Kautionszahlung zu begrüßen. Ob die Gesetzgebung gegen das Mietnomadentum allerdings geeignet ist die Verfahren gegen "Mietnomaden" zu beschleunigen kann durchaus bezweifelt werden.