Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann im Einzelfall erschüttert sein

Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann im Einzelfall erschüttert sein
11.06.2013370 Mal gelesen
Die Drohung mit einer Krankheit für den Fall der Nichtgewährung einer Freistellung von der Arbeit kann, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern, die Glaubwürdigkeit eines ärztlichen Attestes, das im Nachhinein ausgestellt worden ist, erheblich erschüttern. Es kommt dabei jedoch auf den Einzelfall an.

Eine bei einem Apotheker beschäftigt gewesene Apothekerin streitet sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur noch um die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, die Zahlung einer Jahressonderzahlung, sowie um die Zahlung von Urlaubsabgeltung.

Der Apotheker will nichts dergleichen leisten. Ein Anspruch auf ein Zeugnis habe sie nicht, da sie ohne krank zu sein, der Arbeit einfach ferngeblieben sei, aus dem gleichen Grunde habe sie auch keine Abgeltung für nicht genommenen Urlaub zu beanspruchen, da es keinen nicht genommenen Urlaub gäbe. Überhaupt seien alle ihre Forderungen rechtsmissbräuchlich und damit verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Die Berufung des Apothekers blieb ohne jeglichen Erfolg.

Es sei nicht ersichtlich, warum es rechtsmissbräuchlich sein sollte, den Apotheker zur Erteilung eines Zeugnisses zu verpflichten, auch wenn nicht feststeht, ob die Apothekerin tatsächlich zeitweise erkrankt war. Das Ende des Arbeitsverhältnisses ist unstreitig und nur darauf komme es an.

Die Apothekerin hat dem Gericht eine ärztliche Bescheinigung vom 4. Juni 2009 vorgelegt, wonach die behandelnde Ärztin bestätigt, dass die Apothekerin seit dem 21. Juli 2008 von ihr krankgeschrieben worden sei, und dass die Erkrankung noch auf unbestimmte Zeit andauern werde. Dies könne im vorliegenden Fall als Bescheinigung im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes angesehen werden. Ob dem Apotheker derartige Bescheinigungen regelmäßig übermittelt worden sind, ist im vorliegenden Fall unerheblich, da weder eine Abmahnung noch eine Kündigung wegen nicht rechtzeitiger Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung im Streit sind.

Angesichts der Gesamtumstände sei es dem Apotheker  auch nicht gelungen, den Beweiswert dieser ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern. Der Apotheker beruft sich darauf, dass die Apothekerin als Reaktion auf seine Aufforderung, sie müsse aber trotz der Krankheit ihres Kindes zur Arbeit kommen erklärt habe, dann lasse sie sich eben krankschreiben. Die Drohung mit einer Krankheit für den Fall der Nichtgewährung einer bestimmten Leistung könne zwar  die Glaubwürdigkeit eines ärztlichen Attestes, das im Nachhinein ausgestellt worden ist,  erschüttern. Angesichts der Gesamtumstände ist es dem Beklagten im vorliegenden Fall auch nicht gelungen, den Beweiswert dieser ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern. Im vorliegenden Fall sei aber davon auszugehend, dass die Apothekerin tatsächlich arbeitsunfähig war.

Nachdem davon auszugehen sei dass die Apothekerin krank war, hatte sie auch Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

 

(Quelle:  Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.03.2010; 2 Sa 309/09

Vorinstanz: Arbeitsgericht Stralsund, Urteil vom 27.10.2009; 1 Ca 70/09)

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