Darf BILD einen Internetpranger für Facebook Hasskommentare veröffentlichen?

Darf BILD einen Internetpranger für Facebook Hasskommentare veröffentlichen?
20.10.20151252 Mal gelesen
Die Bild-Zeitung veröffentlicht heute Screenshots von Facebook-Hasskommentaren und bittet die Behörden darum, endlich aktiv zu werden und entsprechende Ermittlungen einzuleiten. Die Screenshots zeigen den kompletten Namen des Facebook-Nutzers, inklusive des Profilbildes. Jeder soll erkennen können, wie viel vermeintlich strafbare Aussagen sich bei Facebook befinden. Weshalb ein solcher Internetpranger aus rechtlicher Sicht sehr fragwürdig ist, erläutert Rechtsexperte Christian Solmecke.

Das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes überwiegt hier meist gegenüber dem möglichen Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Grundsätzlich ist die Veröffentlichung wahrer Tatsachen von der Meinungsfreiheit gedeckt, allerdings wiegt in diesem Fall der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der einzelnen Personen schwer. Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen fällt bei den meisten Postings zugunsten der betroffenen Internetnutzer aus.

Gefahr der Vorverurteilung

Insbesondere Personen, die zwar moralisch verwerfliche Kommentare von sich geben, jedoch die Grenze der Strafbarkeit noch nicht erreichen, werden besonders stark in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Zum Teil werden die Kommentare völlig aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt. Das Gleiche gilt für diejenigen, die einen ähnlichen Namen tragen und durch die Berichterstattung nun mit rechtswidrigen Äußerungen in Verbindung gebracht werden.

Unabhängig davon, welche Straftat möglicherweise durch einen Bürger begangen wurde, gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Dieses Prinzip gehört zu den fundamentalen Grundlagen unseres Rechtsstaats und wird durch einen solchen undifferenzierten Internetpranger mit Füßen getreten. Hinzukommt, dass die Verfolgung von Straftaten ausschließlich den zuständigen Behörden zukommt. Wer die Namen potentieller Straftäter veröffentlicht, verurteilt diese, bevor die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Ermittlungen aufgenommen haben. Dies widerspricht unserem Rechtssystem und greift tief in die Grundrechte der einzeln aufgeführten Personen ein.

Bild-Zeitung hätten Bild und Nachnamen verpixeln müssen

Die Leser gehen davon aus, dass die Bild ausreichend recherchiert und bereits nur die Namen derjenigen veröffentlicht hat, die tatsächlich aus juristischer Sicht eine Straftat begangen haben. Dem ist jedoch nicht so. Eine juristische Prüfung hat hier offenbar nicht stattgefunden. Solange die Bild-Zeitung die Sammlung der Screenshots als eine Sammlung von rechtswidrigen Hass-Kommentaren präsentiert, geht das Medium in seiner Berichterstattung zu weit.

Anders wäre der Fall, wenn die Bild-Zeitung die Kommentare lediglich mit dem Vornamen der Betroffenen veröffentlichen würde und aufzeigen würde, wie heftig zum Teil die Kommentare in den sozialen Netzwerken sind. Auf diese Weise würde die gleiche Aufmerksamkeit erzielt werden, jedoch ohne die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen durch eine Vorverurteilung zu verletzen. Möglich wäre auch eine Veröffentlichung im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Postings ohne pauschale Vorverurteilung. Genau das findet hier aber nicht statt.

Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen Facebook

Wie gestern bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg bereits gegen die drei Geschäftsführer der Facebook Germany GmbH. Der Vorwurf lautet: Verdacht auf Beihilfe zur Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ein solches Ermittlungsverfahren war nach den unzureichenden Bemühungen von Facebook, rechtswidrige Hasskommentare nach Kenntnis zu löschen, zu erwarten. Aus meiner Sicht ein erster Schritt in die richtige Richtung.