Brauereirecht: Mindestlaufzeit von 10 Jahren bei Bierlieferungsvertrag unangemessen? Rechtsanwalt Dr. Rönsberg zum Urteil des OLG Köln vom 20.10.2011

Brauereirecht: Mindestlaufzeit von 10 Jahren bei Bierlieferungsvertrag unangemessen? Rechtsanwalt Dr. Rönsberg zum Urteil des OLG Köln vom 20.10.2011
07.04.20134929 Mal gelesen
Ist ein Bierlieferungsvertrag, der den Gaststättenbetreiber für 10 Jahre an eine Biermarke bindet, sittenwidrig und nichtig? Ist die Festlegung einer Mindestabnahmemenge für Fassbier, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erreicht werden kann, unwirksam? Rechtsanwalt Dr. Rönsberg stellt Urteil vor

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 15.03.2011 (Az. 21 O 95/10) die Klage einer Gaststättenbetreiberin gegen einen Getränkelieferanten in Bezug auf einen Bierlieferungsvertrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 20.10.2011 (Az. 7 U 65/11) zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg von der Kanzlei SLB Kloepper Rechtsanwälte, die Mandanten im Brauereirecht und Gaststättenrecht vertritt, fasst das Urteil vereinfacht zusammen:

Kauf einer Gaststätte aus Insolvenz nach Abschluss von Vertrag über Gaststätteninventar und Bierlieferung

Die Klägerin, eine Gastronomin, betrieb im Zeitraum 1995 bis Ende Juli 2005 eine Gastwirtschaft in Leverkusen. Im August 2004 ersteigerte die Klägerin eine andere Gaststätte in Leverkusen, die Inventar (Gaststätten- und Kücheninventar) der Beklagten, einer Getränkelieferantin, enthielt, für ein Gebot i.H.v. € 108.000,00 unter Verkehrswert. Den niedrigen Kaufpreis hatte ein Gesellschafter der Getränkelieferantin ermöglicht. Zuvor hatte die Klägerin mit der Getränkelieferantin einen Bierlieferungsvertrag geschlossen, der die Lieferantin dazu verpflichtete, der Klägerin das Inventar unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dafür verpflichtete sich die Klägerin für die Dauer von 10 Jahren jährlich mindestens 457 hl und insgesamt mindestens 4.570 hl Fassbier sowie ihren Bedarf an alkoholfreien Getränken von der Getränkelieferantin abzunehmen. Dabei durfte die Klägerin zwischen drei Biersorten wählen, zu denen gesonderte Vereinbarungen bezüglich Rückvergütungen und einem Deckungszahlungsausgleich bei Minderabnahme, je nach Abnahmemenge, getroffen wurden. Zudem wurde zugunsten der Lieferantin auf die von der Klägerin erworbene Immobilie eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen, wonach es der Klägerin verboten war, auf dem Grundstück Getränke herzustellen, zu lagern, zu verkaufen oder zu vertreiben.

Fremdbezug unter Verstoß gegen Bierlieferungsvertrag - Widerruf und Kündigung

Die Klägerin eröffnete die Gaststätte im November 2004 neu. Die Getränkelieferantin stellte jedoch während der Laufzeit des Bierlieferungsvertrages drei Mal einen Fremdbezug fest. Die Klägerin hatte Fassbier von einem anderen Lieferanten bezogen und wurde deswegen einmal abgemahnt. Im November 2008 widerrief die Klägerin schließlich alle im Zusammenhang mit dem Bierlieferungsvertrag stehenden Willenserklärungen und kündigte den Vertrag vorsorglich. Dabei berief sie sich darauf, sie sei als Verbraucherin bei Abschluss des Bierlieferungsvertrages nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Außerdem sei der Bierlieferungsvertrag wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig. Es habe ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestanden und die Beklagte habe die wirtschaftlich schwächere Position der Klägerin ausgenutzt. Außerdem schränke der Bierlieferungsvertrag ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit in unredlicher Weise ein und sein wegen verschiedener unwirksamer Klauseln insgesamt nichtig.

Landgericht lehnt Sittenwidrigkeit des Bierlieferungsvertrags ab

Das Landgericht Köln hielt den Bierlieferungsvertrag für wirksam und lehnte die Klage mit Urteil vom 15.03.2011 (Az. 21 O 95/10) ab. Eine Sittenwidrigkeit liege nicht vor. Zunächst sei kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben, denn es bestehe ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen dem Bierlieferungsvertrag und der Ersteigerung der Gaststätte. Mit dieser habe die Klägerin aber unter Zutun der Beklagten einen Preisvorteil von etwa € 108.000,00 erhalten. Denn hätte die Klägerin den Bierlieferungsvertrag nicht unterzeichnet, hätte sie auch das Grundstück nicht so günstig erhalten. Zudem sei der Klägerin der Wert des unentgeltlich überlassenen Inventars zuzurechnen. Das Gericht sah auch keine unvertretbare Einengung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Gastronomin gegeben. Ausschließlichkeitsbindungen und deren Sicherung durch eine Vertragsstrafe seien nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Gleiches gelte für die Vereinbarung von höhern Entgelten bei Unterschreitung des angenommenen Jahresumsatzes.

10 Jahre Mindestlaufzeit des Bierlieferungsvertrages unproblematisch

Auch die Mindestlaufzeit des Bierlieferungsvertrages von 10 Jahren hielt das Landgericht für unproblematisch, denn es sei gleichzeitig Inventar zur Verfügung gestellt worden. Die Klägerin sei auch nicht durch die Bierbezugsverpflichtung unvertretbar eingeschränkt. Das Gericht hielt es für unproblematisch, dass die Klägerin nur zu Beginn der Laufzeit eine Biermarke wählen konnte und dann über die gesamte Laufzeit an diese gebunden war, denn dies liege gerade in der Natur einer Ausschließlichkeitsbindung. Ein Wechsel im Publikumsgeschmack oder eine Änderung im Nachfrageverhalten fielen in die vertragliche Risikosphäre eines Gastwirts. Der Bierlieferungsvertrag beinhalte auch quantitativ keine unvertretbare Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Gaststättenbetreiberin, denn die vereinbarte Abgabemenge sei zwar unwahrscheinlich aber nicht per se ausgeschlossen.

Bierlieferungsvertrag verstößt nicht gegen AGB-Recht

Auch weitere Klauseln des Bierlieferungsvertrages waren nach Ansicht des Gerichts entweder wirksam oder führten wenigstens nicht zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages. So hielt das Gericht etwa eine im Bierlieferungsvertrag enthaltene Preis- und Sortimentsänderungsklausel für wirksam. Bei der langen Bindungsfrist habe den Parteien klar sein müssen, dass sich die Preise im Verlauf der Vertragsdauer auch kurzfristig ändern würden. Dabei wäre es unwirtschaftlich und nicht interessengerecht gewesen, wenn die Preise in jedem Einzelfall hätten neu ausgehandelt werden müssten. Auch die im Bierlieferungsvertrag enthaltene Deckungsbeitragsklausel sei nicht zu beanstanden, denn der pauschalierte Schadensersatz sei der Höhe nach im Rahmen und die Gaststättenbetreiberin sei zum Nachweis eines geringeren Schadens berechtigt gewesen. Gleiches gelte für den pauschalierten Schadensersatz für den Fall des Fremdbezugs. Auch die Abräumklausel sei wirksamer Bestandteil des Bierlieferungsvertrags geworden.

Gaststättenbetreiberin konnte Bierlieferungsvertrag nicht kündigen oder widerrufen

Schließlich habe die Klägerin den Bierlieferungsvertrag auch nicht wirksam kündigen oder widerrufen können. Ein vertragliches Kündigungsrecht war im Bierlieferungsvertrag nicht vorgesehen. Auch ein gesetzliches Widerrufsrecht gem. §§ 355, 507 BGB war nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben, da es sich bei der Klägerin nicht um eine Existenzgründerin handele. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Klägerin bereits seit 1995 eine vergleichbare Gaststätte betrieben habe und dass aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs ein geradezu übergangsloser Wechsel von einer Betriebsstätte zur anderen vorgelegen habe. Es sei somit keine Existenzgründung, sondern eine Fortführung gegeben. Nichts anderes ergebe sich aus der Tatsache, dass die Klägerin in einer Anlage zum Bierlieferungsvertrag über ein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Denn eine Belehrung über ein tatsächlich nicht bestehendes Recht führe nicht zu dessen Entstehung. Abgesehen davon wäre ein Widerruf ohnehin nicht innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolgt.

Die Rechtsanwälte der Kanzlei SLB Kloepper stehen für Fragen zum Brauereirecht, insbesondere zu Bierlieferungsverträgen, Gaststättenpachtverträgen oder Inventarüberlassungsvertragen jederzeit gerne zur Verfügung.

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Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg

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