BGH: Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen

Arbeit Betrieb
07.04.2014325 Mal gelesen
Tatrichter müssen ausländische Rechtspraxis berücksichtigen. Auch bei niedrigen Streitwerten muss notfalls ein teures Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Der Beklagte Geschäftsführer einer GmbH wurde von der Klägerin - der zuständigen Einzugsstelle - auf Schadensersatz verklagt, weil er für mehrere Monate die Arbeitnehmeranteile in Höhe von rund 790 € nicht abgeführt hatte.

Über das Vermögen des Beklagten ist in England das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte erlangte eine Restschuldbefreiung nach englischem Recht.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass nach einer Vorschrift des englischen Insolvenzrechts (Sec. 281 (3) des Insolvency Act 1986) ihre angemeldete Forderung nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werde.
Das Landgericht wies die Klage ab, nachdem zuvor auch schon das Amtsgericht die Klage verworfen hatte. Nach Ansicht des Landgerichts lagen die Voraussetzungen des Sec.281 (3) IA 1986 nicht vor, da nach dieser Vorschrift eine betrügerische Absicht oder eine untreueähnliche Handlung vorliegen müsse. Eine solche sei hier aber nicht festzustellen. Daher werde die Forderung der Klägerin von der Restschuldbefreiung des Beklagten erfasst.
In dem Verfahren war das Landgericht vor die Aufgabe gestellt, sich über die englische Rechtspraxis zur Anwendung des Sec.281 IA 1986 Gewissheit zu verschaffen.
Hierzu fragte es zunächst beim Max-Planck-Institut für ausländisches Recht nach den Kosten eines Rechtsgutachtens zum englischen Recht (3500-4000 €). Da diese Kosten den Streitwert der Sache um ein Vielfaches übertrafen, nahm das Landgericht hiervon Abstand. Stattdessen holte es sich eine Auskunft des Foreign & Commonwealth Office ein.
Der BGH beanstandete dieses Vorgehen und sah hierin eine Verletzung von § 293 ZPO (Zivilprozessordnung): die erteilte Auskunft des Foreign & Commonwealth Office sei nicht geeignet gewesen, die Frage zu beantworten, wie die englische Rechtsprechung die Vorschrift in ihrer Rechtspraxis handhabe.
In diesem Fall sei das Landgericht verpflichtet gewesen, zusätzlich ein Rechtsgutachten einzuholen. Der Umstand, dass das Gutachten ein Vielfaches des Streitwertes ausmache, sei kein Grund gewesen, die Einholung eines Gutachtens abzulehnen.

BGH - Urteil vom 14.1.2014 -II ZR 192/13-