BGH setzt EuGH-Urteil um - Lebensversicherern droht Widerspruchswelle

BGH setzt EuGH-Urteil um - Lebensversicherern droht Widerspruchswelle
12.05.2014392 Mal gelesen
In der Vergangenheit galten Lebensversicherungen als attraktive Geldanlage und als Möglichkeit der Vorsorge für das Alter. Diese Zeiten scheinen vorbei, wenn man einen Blick auf die Entwicklung des Garantiezinses in den letzten 25 Jahren wirft.

Dieser ist sukzessive zurückgegangen und befindet sich nunmehr auf einem historischen Tief. Auch die Überschussbeteiligungen lassen nicht zuletzt in einer Niedrigzinsphase zu wünschen übrig.

Sowohl herkömmliche Lebensversicherungen als auch fondsgebundene Verträge erweisen sich demnach häufig nicht als die gute Kapitalanlage, als die sie propagiert wurden. Enttäuschte Kunden spielen daher nicht selten mit dem Gedanken einer vorzeitigen Kündigung. Regelmäßig führt dies jedoch zu Verlusten.

Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 19.12.2013 den Weg für enttäuschte Versicherungskunden geebnet, sich ohne Verluste von ihren Verträgen zu lösen und ihre Einzahlungen zurückzuerhalten. Diese Entscheidung kann für Inhaber solcher Lebensversicherungen nun bares Geld bedeuten.

Der Bundesgerichtshof hat nun mit seiner aktuellen Entscheidung vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 - dieses lang erwartete EuGH-Urteil zu sog. Policenmodellen bei Lebensversicherungsverträgen umgesetzt.

Bei den Policenmodellen handelt es sich um Lebensversicherungsverträge, welche der Versicherungsnehmer abschließt und in der Folge die Möglichkeit hat dem Vertragsschluss noch zu widersprechen und sich so von dem Lebensversicherungsvertrag wieder zu lösen. Solche Verträge wurden insbesondere in den Jahren 1994 bis 2007 geschlossen.

Der Bundesgerichtshof hatte im März 2012 dem EuGH im Wege des sog. Vorabentscheidungsverfahrens die Rechtsfrage vorgelegt, ob die damals gültige gesetzliche Widerspruchsregelung im deutschen Versicherungsvertragsgesetz mit einer Europäischen Richtlinie vereinbar ist.

Der EuGH hatte mit seiner Entscheidung vom 19.12.2013 festgestellt, dass diese deutsche Regelung gegen europäisches Recht verstößt. Denn diese Vorschrift sah vor, dass spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie das Widerspruchsrecht erlischt, selbst wenn der Versicherungskunde nicht oder nicht zutreffend über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt worden sein sollte.

Die Folgen dieser EuGH-Entscheidung sind gravierend und zwar sowohl für Anbieter dieses Policenmodells als auch für Versicherungskunden. Dies zeigt sich nun in der Umsetzung der Entscheidung durch den BGH.

Denn der Versicherungskunde hat nun vorbehaltlich der Prüfung jedes Einzelfalls die Möglichkeit sich auch heute noch von einer unter Umständen nicht sehr rentablen Versicherung zu lösen und seine Einzahlungen von dieser zurückzuverlangen, sofern er nicht ordnungsgemäß von der Versicherungsgesellschaft über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt worden sein sollte.

Die in dem EuGH- Gerichtsverfahren beteiligte Lebensversicherungsgesellschaft mutmaßt, dass in Deutschland von dieser Entscheidung 108 Millionen Lebensversicherungsverträge mit einem Prämienvolumen von über 400 Milliarden Euro betroffen sein könnten. Insofern drohen den Lebensversicherungsgesellschaften eine Flut von Widersprüchen sowie eine Rückforderung der gezahlten Prämien durch Versicherungskunden in erheblicher Höhe, die mit der Entwicklung ihrer Verträge unzufrieden sind.

Inhaber von Lebensversicherungsverträgen sollten prüfen lassen, ob dieses Urteil auf ihren Versicherungsvertrag Anwendung findet und sie Verluste auf diesem Wege vermeiden können. Dabei ist jeder Fall gesondert zu betrachten und zu entscheiden, ob ein Widerspruch wirtschaftlich sinnvoll ist.

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Rechtsanwalt Siegfried Reulein, Inhaber der KSR | Kanzlei Siegfried Reulein, ist seit mehr als 10 Jahren schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts tätig. Er berät ausschließlich geschädigte Anleger und Bankkunden aus ganz Deutschland und vertritt deren Interessen vor Gerichten deutschlandweit insbesondere gegen Anlageberater, Banken und Sparkassen sowie Prospektverantwortliche. Dabei konnte er bereits für viele Mandanten Urteile vor Amts-, Land- und Oberlandesgerichten (auch schon durch den BGH bestätigt) sowie positive gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche erstreiten.

Im Bereich des Kapitalanlagerechts ist Rechtsanwalt Reulein hauptsächlich mit der Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Vermittlung von geschlossenen Fondsanlagen (z.B. Schifffonds, Immobilienfonds, Film- und Medienfonds, Lebensversicherungsfonds), Genussrechten, (Mittelstands-)Anleihen, partiarischen Darlehen, atypisch stillen Gesellschaften sowie der Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Kauf einer Schrottimmobilie und der Eingehung von Swap-Geschäften befasst. Im Bereich des Bankrechts berät und vertritt Rechtsanwalt Reulein in allen Fragen des Bankrechts, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Beendigung von Darlehensverträgen. Daneben ist Rechtsanwalt Reulein in den Bereichen des Versicherungs- und des Erbrechts tätig.