BGH führt Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine bindende Patientenverfügung fort

BGH führt Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine bindende Patientenverfügung fort
27.03.2017292 Mal gelesen
BGH: Schriftliche Äußerung, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen, für sich genommen keine bindende Patientenverfügung. Wille des Verfügenden ist dann durch Auslegung zu ermitteln

Im Nachgang zu seinem Beschluss vom 06.07.2016 (XII ZB 61/16) hat sich der BGH mit Beschluss vom 08.02.2017 (XII ZB 604/15) erneut zu den Anforderungen an die Bindungswirkung einer Patientenverfügung geäußert.

Folgendes war passiert:

Die 1940 geborene Betroffene hatte 1998 eine schriftliche Patientenverfügung unterzeichnet.

Zwischen 1998 und dem Ende des Jahres 2007 hatte sie mehrfach gegenüber Familienmitgliedern und Bekannten geäußert, im Falle eines Wachkomas nicht künstlich ernährt werden zu wollen.

Seit einem Schlaganfall im Mai 2008 befindet sie sich in einem Wachkoma und wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt. Als sie im Juni 2008 einmalig die Möglichkeit erhielt, trotz Trachealkanüle zu sprechen, teilte die Betroffene der Therapeutin mit, dass sie sterben möchte.

Sohn und Ehemann sind zu alleinvertretungsberechtigten Betreuern der Betroffenen bestellt.

Der Sohn der Betroffenen ist der Auffassung, künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr sollten eingestellt werden, da dies dem Willen der Betroffenen entspreche. Der Ehemann der Betroffene lehnte dies ab.

Ein entsprechender Antrag des Sohnes wurde vom Amtsgericht abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.

Die zugelassenen Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung an das Landgericht.

Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Betroffenen unterzeichnete Patientenverfügung nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge, so der BGH.

Die von der Betroffenen unterzeichnete Patientenverfügung enthalte keine eindeutige Aussage dahingehend, dass sie die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in ihrem gegenwärtigen Zustand wünsche. Die in der Verfügung enthaltene Erklärung, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen bei Eintritt der in der Verfügung genannten Behandlungssituationen wünsche, spreche für den Abbruch der künstlichen Ernährung wie die ebenfalls in der Verfügung enthaltene Erklärung, aktive Sterbehile abzulehnen, die Fortsetzung der künstlichen Ernährung begründen könnte. Damit sei die Verfügung nicht unwirksam, sondern allenfalls widersprüchlich. Das Landgericht habe nicht die für die Auslegung wesentlichen Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt.

Ob der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen im Wachkoma auf jene Behandlungssituationen zutreffe, bei deren Vorliegen die Betroffene keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschte, habe das Beschwerdegericht bislang nicht festgestellt und werde dies nachholen müssen, so der BGH.

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