BGH: Fast alle Patientenverfügungen unzulässig

BGH: Fast alle Patientenverfügungen unzulässig
07.10.20161792 Mal gelesen
Wenn es in so genannten Patientenverfügungen um das "Abschalten lebensverlängernder Maßnahmen" geht, dann ist eigentlich klar, was damit gemeint ist:

Der Verfügungsverfasser hat damit festgelegt, wie im Falle der eigenen Entscheidungsunfähigkeit mit einer wichtigen Frage der ärztlichen Versorgung in seinem Sinne umgegangen werden soll. In nahezu jeder der in Deutschland verfassten Patientenverfügungen kommt diese Klausel vor und immerhin sollen 15 % aller erwachsenen Deutschen solch eine Verfügung verfasst haben. "In großen Teilen unzulässig" hat jetzt der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung vom 7. September 2016 entschieden. Die Formulierung "Abschaltung lebensverlängernder Maßnahmen" ist demnach zu unkonkret, bzw. unpräzise, um daraus rechtssicher Maßnahmen einleiten oder unterlassen zu können.

Zwar hat der BGH nur eine einzelne Verfügung geprüft und für unwirksam erklärt, die Strahlwirkung dieser rechtsprägenden Entscheidung dürfte aber enorm sein. Rechtsanwalt Schulte-Bromby, bei AJT Neuss für den Schwerpunkt "Medizinrecht" zuständig: "Wer die Rechtssicherheit seiner Verfügung gewährleisten will, muss jetzt umformulieren!" Aus Ärztesicht bedeutet das Urteil endlich die seit langem geforderte Konkretisierung der Notfall-Situation. Es fordert zudem jetzt Aufklärung darüber, was unter "lebensverlängernden Maßnahmen" überhaupt zu verstehen ist.

Im verhandelten Fall ging es um eine Verfügung auf Basis der "Christlichen Patientenverfügung". In diesem und auch im Großteil der Muster anderer nicht-medizinisch orientierter Anbieter ist die kritisierte Formulierung enthalten. Der BGH empfiehlt Verfassern von Mustern eine höher Sach- und Fachkompetenz, wie sie z.B. Ärzten aus der Intensiv--, Notfall- oder Palliativ-Medizin eigen ist. Schulte-Bromby: "Nach Meinung des Gerichtes sollte eine Patientenverfügung von Experten verfasst werden. Ohne das hier beurteilen zu wollen steht die Tatsache im Raum: Über 90 % aller in Deutschland vorliegenden Patientenverfügungen sind angreifbar!"

Ähnlich wie in einer grundsätzlich weiter gefassten Vorsorgevollmacht müssen auch Patientenverfügungen die Art der angesprochenen Maßnahmen konkretisieren und nicht mit einem Überbegriff verallgemeinern. Die Entscheidung des Senats ist nachvollziehbar und fordert mehr Klarheit: Ärzte müssen sicher sein können, dass eine Abschaltung eines bestimmten Gerätes im Sinne des Verfügungsverfassers ist. Mit der Konkretisierung der Maßnahmen wird Ärzten in Rettungswagen, Intensivstationen und Notfalleinrichtungen die oft schwere Entscheidung erleichtert, die Wünsche des zur Meinungsäußerung nicht mehr fähigen Patienten richtig erkennen zu müssen.

Rechtsanwalt Schulte-Bromby empfiehlt, vorliegende Patientenvollmachten von einem Experten prüfen und umformulieren zu lassen.

 

Mehr Informationen: https://www.ajt-neuss.de/medizinrecht