Bewertungsportale im Internet

Internet, IT und Telekommunikation
18.01.20101544 Mal gelesen
Bewertungsportale im Internet Rechtsprechung Literatur Aktuelle Entwicklungen
I. Einleitung:
 
Im Fokus der juristischen Aufmerksamkeit sind derzeit sog. Bewertungsportale, die es ermöglichen, verschiedene Berufsgruppen zu bewerten. Die steigende Anzahl und Popularität dieser Portale und der damit einhergehende Anstieg intimer persönlicher Daten, deren Verbreitung sich jeglicher Kontrolle durch den Betroffenen entzieht, könnte zu einer Flut von Klagen führen, sollte es sich durchsetzen, dass die Informationen dieser Portale zu Auswahlkriterien potenzieller Arbeitgeber bei Bewerbungen oder Beförderungen werden.
 
Die Diskussion um die Zulässigkeit dieser Bewertungsportale hat in dem Erlass eines Bußgeldbescheid durch den Berliner Datenschutzbeauftragten auf der Grundlage des § 43 I Nr. 8 BDSG zum Nachteil der Betreiber von meinprof.de ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.
 
II. Aktuelle Rechtsprechung:
 
Die neuen Bewertungsportale rücken derweil auch in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Rechtsprechung und Literatur, wobei in diversen Verfahren vor den Landes- und Oberlandesgerichten die Richter stets zugunsten der Portalbetreiber entschieden. Nach Auffassung der Richter verletze die Bewertung von Lehrern in einem Internetbewertungsportal ebenso wenig deren allgemeines Persönlichkeitsrecht und dessen Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG wie die Vorschriften des BDSG. Insbesondere seien auch Kommentare zu einem Profil eines Lehrers wie Psychopath" oder "echt das Letzte" vom Recht der Meinungsfreiheit umfasst und hätten noch nicht die Schwelle zur Schmähkritik überschritten.
 
Das französische Tribunal de Grande Instance de Paris (Landgericht) sah dies jedoch anders und gab den Betreibern eines Lehrer- und Schüler- Bewertungsportals auf, unter Androhung eines Zwangsgeldes alle Lehrernamen von der Webseite und aus der Datenbank zu löschen. Das Gericht begründete seine Auffassung damit, dass die Nennung der Namen der Lehrer eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Lehrer darstelle, welcher einem Aufruf zur Störung der öffentlichen Ruhe gleichkomme, der geeignet sei, eine Störung des Bildungsbetriebs hervorzurufen.
 
III. Mögliche Unterlassungsansprüche:
 
In den bisherigen Verfahren wurden bisher zwei Unterlassungsansprüche herangezogen:
 
1. Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog:
 
Voraussetzung für einen Anspruch aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog ist, dass die Veröffentlichung auf der Internetseite der Betreiber das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG verletzt.
 
Innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist im Rahmen der Bestimmung der Abwägungskriterien zu berücksichtigen, dass, je nach dem aus welcher Sphäre die publizierten Daten stammen, diese eine unterschiedliche Schutzwürdigkeit genießen. So genießen Daten, die der Privat- oder Intimsphäre zugeordnet werden, einen höheren Schutz, als die, die der Sozialsphäre entstammen, wobei Stigmatisierung und Ausgrenzung auch in der Sozialsphäre unzulässig sind.
 
Die Verletzung des Persönlichkeitsrecht ist mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 I GG abzuwägen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst vor allem die Meinungsäußerung, die durch das Element der Stellungnahme, der Beurteilung und der Wertung geprägt ist. Hierbei wird nicht unterschieden, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, gehalten wird. Bei der Abwägung ist stets auf den Einzelfall abzustellen, wobei keinem der beiden Grundrechte generell der Vorzug zu gewähren ist.
 
2. Unterlassungsanspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 4 I BDSG:
 
Für einen solchen Unterlassungsanspruch ist, sofern keine Einwilligung vorliegt, eine Erlaubnisnorm erforderlich. Eine solche Erlaubnisnorm stellt § 29 I BDSG dar, denn die personenbezogenen Daten sollen gerade zum Zwecke ihrer Übermittlung vorgehalten werden.
 
Fraglich ist, ob § 29 I Nr.1 oder 2 BDSG einschlägig ist. Dies bestimmt sich nach der Weite des Datenbegriffs des § 3 BDSG. Dieser erfasst über den klassischen Bereich hinaus, welcher Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse der Betroffenen einbezieht, auch Werturteile über Personen. Sind die Daten allgemein zugänglich und überwiegt nicht offensichtlich das schutzwürdige Interesse des Betroffenen, so greift § 29 I S.1 Nr. 2 BDSG ein. Bei Bewertungen ist dies strittig, und es kommt nur § 29 I S.1 Nr. 1 BDSG in Betracht.
 
Für die vorzunehmende Interessenabwägung stehen sich das "berechtigte Interesse" der veröffentlichenden Stelle und das "schutzwürdige Interesse" des Betroffenen entgegen. D.h. es muss in jedem Einzelfall entschieden werden, ob der Zweck, dessen Verfolgung durch das gesunde Rechtsempfinden gebilligt wird, das Interesse des Betroffenen an der Wahrung seines Persönlichkeitsrechts, aber auch der Abwehr von wirtschaftlichen Nachteilen überwiegt oder nicht. Im Ergebnis ist hier wiederum eine Abwägung durchzuführen.
 
Fraglich ist, ob bei der Verwendung personenbezogener Daten eine Ordnungswidrigkeit gem. § 43 I Nr. 8 BDSG begangen wird, sofern der Benachrichtigungspflicht des § 33 BDSG nicht nachgekommen wird oder ob der Ausnahmetatbestand § 33 II Nr. 7a BDSG eingreift. Da der Ausnahmetatbestand jedoch nur allgemein zugängliche Daten von der Benachrichtigungspflicht ausnimmt, bleibt sie bei Bewertungen von Lehrern erhalten. Der Ausnahmetatbestand des § 33 II Nr. 7b BDSG greift bei Bewertungen ebenfalls nicht ein, da hierfür erforderlich wäre, dass eine Benachrichtigung dem Geschäftszweck gleichsam seine Grundlage entziehen würde, wofür bei den betreffenden Tatbestandskonstellationen jedoch nichts ersichtlich ist, da den Betreibern durch Name und Hochschule eine Benachrichtigung der Betroffenen ohne weiteres möglich ist. Folglich liegt insoweit ein Verstoß gegen § 33 I BDSG vor.
 
IV. Anwendbarkeit des BDSG:
 
Nach dem BGH Urteil vom 23.06.2009 kann§ 41 BDSG nicht auf Internetbewertungsportale angewendet werden.
 
Dennoch sind die Betroffenen nicht rechtlos gestellt, da die Bewertungsportale den Telemedien gem. §§ 2 I S.3 i.V.m. § 54 I RstV zuzuordnen sind und die §§ 54 ff. RstV ein ausgewogenes Regelungskonzept für den Bereich der Telemedien zur Verfügung stellen, so dass ein hinreichender Ausgleich der widerstreitenden Interessen bei Bewertungsportalen ermöglicht wird. Insbesondere hervorzuheben sind der Gegendarstellungsanspruch aus § 56 f. RstV, der Auskunftsanspruch über die zugrunde liegenden Daten gem. § 57 II S.1 und S.2 RstV und der Ergänzungs- und Berichtigungsanspruch gem. § 57 II S.3 RstV. Gleichrangig daneben stehen die zivilrechtlichen Unterlassungsansprüche.
 
V. Einschränkung der Meinungsfreiheit im Web 2.0
 
Es bestehen Unterschiede hinsichtlich der Veröffentlichung von Daten in Bewertungsportalen bzw. in den klassischen Medien aufgrund der rasanten Verbreitung von Daten im Internet:
 
Sind erst einmal Daten im Internet eingestellt worden, so lassen sich diese aufgrund von Internetarchiven kaum noch effektiv löschen. Die Gegendarstellung bei falschen Tatsachenbehauptungen zur Rehabilitation ist bei Printmedien ein probates Mittel, im Internet dagegen wenig effektiv.
 
Bei der Auffindbarkeit der Daten durch Suchmaschinen ist zu berücksichtigen, dass eine Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung nur dann akzeptabel ist, wenn ein berechtigtes Informationsinteresse der Nutzer vorliegt. Ein solches Interesse wird man bei Schülern bejahen, die die gleiche Schule besuchen. Die vorherige Sicherheitsabfrage durch Name und Hochschule stellt eine angemessene Verfahrenssicherung dar, die momentan nur bei spickmich.de, nicht aber bei meinprof gegeben ist.
 
 
VI. Störung des Schulfriedens?
 
Der Deutsche Lehrerverband befürchtet, dass Bewertungsportale den Schulfrieden gefährden könnten. Dennoch wurde dies bei der deutschen juristischen Diskussion, anders als in Frankreich, weitestgehend ausgeblendet. Dabei scheint eine Beschränkung der Meinungsfreiheit im Schulverhältnis auf der Grundlage von Art. 7 I GG, welcher eine solche Beschränkung zulässt, sofern sie in Erfüllung der staatlichen Schulverantwortung der Erhaltung eines geordneten Schulbetriebs und der Aufrechterhaltung des Schulfriedens dienen, in Anbetracht der erhöhten Wirkungsstreuung von Internetveröffentlichungen durchaus angemessen. Ob bei Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit ähnliche Beschränkungen durch Art. 5 III GG bei Hochschulen denkbar sind, bleibt abzuwarten.
 
VIII. Abwägung der Interessen - Mögliche Lösungsansätze:
 
Zwischen den sich gegenüberstehenden Grundrechten muss im Rahmen einer Abwägung ein angemessener Ausgleich in der Weise gefunden werden, als dass weder die eine noch die andere Position völlig ausgeschlossen wird. Ein solcher Ausgleich kann durch Auflagen und Verfahrenssicherungen erfolgen.
 
Die Kriterien sollten einen eindeutigen Bezug zur beruflichen Tätigkeit, zum anderen muss durch sichergestellt werden, dass die Ergebnisse nicht für jedermann frei zugänglich sind, sondern nur für Personen mit einem berechtigten Interesse. Dies kann zum einen durch eine Registrierung bei den Betreibern unter Angabe der Schule geschehen, so dass nur noch die Bewertungen dieser Schule für den jeweiligen Nutzer sichtbar sind. Zum anderen muss die Auffindbarkeit bei Suchmaschinen eingeschränkt werden. Sind bei dem jeweiligen Portal auch Freitext- Eingaben zulässig, so obliegt den Betreibern als Herren des Angebots die Pflicht, strafbare Beleidigungen ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zu löschen.
 
IX. Zukunft:
 
Soweit die Betreiber bisher Unterstützung durch die Rechtsprechung erhalten haben, hängt diese in Zukunft u.a. davon ab wie stark der Einfluss der Internetbewertungsportale auf die berufliche Laufbahn eines jeden Einzelnen haben wird. Eine amerikanische Studie zeigt bereits jetzt, dass der Einfluss von Bewertungen auf das universitäre Leben erheblich ist.
 
Es bleibt daher die Entwicklung in der Rechtssprechung abzuwarten.