Betriebsrente für Frauen ab 60 bleibt von Änderung des staatlichen Rentenbezugs unberührt

Betriebsrente für Frauen ab 60 bleibt von Änderung des staatlichen Rentenbezugs unberührt
23.04.2013736 Mal gelesen
Die Abschaffung des vorzeitigen Altersrentenbezugs für Frauen in der gesetzlichen Rente führt nicht zu einer Anpassung einer betrieblichen Versorgungsordnung, die noch einen Betriebsrentenbezug für Frauen ab 60 Jahren vorsieht, meint das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

Eine Ärztin war seit dem 1.Juli 1980 bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein angestellt. Zum 1. Januar1997 wechselte sie zur Ärztekammer Nordrhein. Dort besteht eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Die versorgungsfähige Dienstzeit wurde für sie auf den 1. Juli 1980 festgelegt. Seit 1959 gewährte die Alters-und Hinterbliebenenversorgung bei der Ärztekammer Nordrhein ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung nach den von ihr erstellten Richtlinien der "Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten der Ärztekammer Nordrhein" (AVH). Am 6. Mai 1970 beschloss der Vorstand derselben auf Anregung des bei ihr bestehenden Personalrats, in die AHV eine Formulierung aufzunehmen, mit der die Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente für weibliche Angestellte ab dem 60. Lebensjahr eingeführt wurde. Mit einem an "die Begünstigten der AHV 1959" adressierten Schreiben vom 15. November 2010 informierte die Alters- und Hinterbliebenenversorgung für die Angestellten der Ärztekammer Nordrhein  die betroffenen Mitarbeiter über die "Voraussetzungen für den Bezug der betrieblichen Altersrente nach der Alters-und Hinterbliebenenversorgung (AHV) vom 01.07.1959":

 

"Das ist frühestens dann der Fall, wenn Sie nach Erreichen der dort festgelegten . Altersgrenze aus den Diensten . ausgeschieden sind und zudem den Bezug der gesetzlichen Altersrente nachweisen können. Die vorgenannte Altersgrenze der AHV 1959 erreichen weibliche Mitarbeiter mit Vollendung des 60. Lebensjahres und männliche Mitarbeiter mit Vollendung des 63. Lebensjahres. .

.. Im Regelfall bedeutet dies also, dass Personen ab Geburtsjahrgang 1952 aufgrund der Anhebung der gesetzlichen Altersgrenzen die betriebliche Altersrente nach der AHV 1959 . frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres beziehen können. ..."

 

Die Ärztin vertritt die Ansicht, sie habe bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach der AHV, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt eine gesetzliche Rente noch nicht beanspruchen könne. Ihr Anspruch beruhe auf den AHV-Richtlinien. Der Wortlaut der AHV sei eindeutig.

Der Versorgungsträger sieht dies anders. Die Auslegung ergäbe, dass die betriebliche Altersrente von allen Männern und Frauen erst von dem Augenblick an beansprucht werden könne, von dem an dem Anspruchsberechtigten auch ein Anspruch auf die gesetzliche Altersrente zustehe. Bei der AHV handle es sich um ein Gesamtversorgungswerk, bei dem der Betriebsrente lediglich eine Ergänzungsfunktion zur gesetzlichen Rente zukomme. Daher gäbe es die AHV-Rente erst dann, wenn der Rentner auch die gesetzliche Rente beziehe.

Das Landesarbeitsgericht gibt der Ärztin Recht.

Schon der Wortlaut spräche gegen die Interpretation des Versorgungswerks. Voraussetzung für den Bezug der AHV-Altersrente sei nach der AHV lediglich die Erfüllung der Wartezeit, die Vollendung des 60. (Frauen) oder des  63. Lebensjahres (Männer) und das Ausscheiden aus dem Dienst. Der Bezug einer gesetzlichen Rente wird dort nicht als weitere Voraussetzung genannt. Auch der übrige Text der AHV enthalte keine Bedingung des Inhalts, dass eine gesetzliche Rente bezogen werden müsse, bevor die AHV-Altersrente begehrt werden kann. So regle die AHV zwar, dass die Versorgungsbezüge um die Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen  gekürzt  werden, nicht aber dass der Bezug einer Sozialversicherungsrente Voraussetzung der betrieblichen Altersrente ist. Selbst wenn aber entgegen noch Zweifel blieben, so gingen diese zu Lasten des Versorgungswerkes: Da der Arbeitgeber die einer Gesamtzusage zugrunde liegende Regelung geschaffen hat, gilt ergänzend die Unklarheitenregel. Der Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die für ihn ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen.

Nach alledem ist der Ärztin die Betriebsrente bei Erreichen ihres 60. Lebensjahres zu zahlen.

 

(Quelle:  Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2012; 6 Sa 1511/12

Vorinstanz: Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2012; 6 Ca 1490/12)

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