Beamtenbesoldung verfassungswidrig ? Neues Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht

Staat und Verwaltung
29.03.20093757 Mal gelesen

Die für Beamtenrecht zuständige siebte Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat ein Verfahren gegen das Land Niedersachsen ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob die Netto-Gesamtbesoldung des Klägers im Jahr 2005 verfassungsgemäß war.

Anlass der Klage ist die Streichung des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes in Niedersachsen mit Beginn des Jahres 2005 für alle Beamten ab Besoldungsgruppe A 9. Der 1964 geborene Kläger ist Finanzbeamter und gehörte damals zur Besoldungsgruppe A 9; er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Das Gericht sieht das Recht des Klägers auf eine amtsangemessene Alimentation als verletzt an. Dieses Recht Teil der sog. "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" und dient nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu, dem Beamten und seiner Familie nach seinem Dienstrang, der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und der Inanspruchnahme des Amtsinhabers sowie entsprechend den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und dem allgemeinen Lebensstandard einen angemessenen Lebensunterhalt gewähren. Sie ist etwas anderes, als nur eine staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes an sozialer Sicherung. Bezugsrahmen sind die Einkommen der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit im öffentlichen Dienst und außerhalb des öffentlichen Dienstes.

Das Gericht verweist in dem Vorlagebeschluss u.a. auf die Entwicklung der Netto-Besoldung eines verheirateten Angestellten im öffentlichen Dienst mit zwei Kindern (Vergütungsgruppe V b BAT), dessen Netto-Einkünfte sich in dem Zeitraum 2002 bis 2005 um 8,16% erhöht haben. Die Netto-Besoldung eines vergleichbaren Beamten ist demgegenüber im gleichen Zeitraum nur um 0,05% gestiegen. Die durchschnittlichen Brutto-Jahreseinkommen der Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe, im Handel sowie im Kredit- und Versicherungsgewerbe sind von 2002 bis 2005 um 7,38 % und die durchschnittlichen Netto-Jahreseinkommen privater Haushalte - die Beamten eingeschlossen - zwischen Anfang 2000 und Ende 2005 um 8 % gestiegen sind (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Nach Überzeugung des Gerichts hat eine Abkoppelung der Besoldung des Klägers von der allgemeinen Einkommensentwicklung stattgefunden. Sie führt zu einer Gesamt-Besoldung, welche in den Kernbestand der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation eingreift (VG BS B,v. 09.09.2008, 7 A 357/05).

 
Anspruch auf Nachzahlung?

Was geschieht, wenn das Bundesverfassungsgericht die Auffassung des VG teilt? Haben alle betroffenen Beamten dann automatisch einen Rechtsanspruch auf Nachzahlung?

Nein! Darauf darf nicht spekuliert werden. Grundsätzlich erstreckt sich die Entscheidung nur auf den Einzelfall. Das Bundesverfassungsgericht könnte den Gesetzgeber  zu allgemeinen Korrekturen verpflichten. Ob und in welchem Umfang dies geschieht, liegt im Ermessen des Gerichts. Der Gesetzgeber könnte auch von sich aus eine Korrektur auf alle Beamten erstrecken. Einen Automatismus gibt es aber nicht. Das Beamtenrecht verlangt, dass die betroffenen Beamten grundsätzlich einen Antrag auf Anhebung Ihrer Besoldung stellen, wenn sie diese als zu niedrig ansehen. Sie müssen diesen Anspruch ggf. auch gerichtlich weiterverfolgen. Eine rückwirkende Korrektur erfolgt nach der Rechtsprechung mehrerer Verwaltungsgerichte grundsätzlich nur ab dem Haushaltsjahr, in dem ein entsprechender Antrag der Beamtin oder des Beamten gestellt worden ist. Denn die Alimentation des Beamten erfolgt aus den jährlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln. Wenn in der Vergangenheit die Alimetationspflicht verletzt wurde, ist der Dienstherr verfassungsrechtlich nicht zwangsläufig verpflichtet, für alle Beamten einen Ausgleich durch Inanspruchnahme der im Haushaltsjahr verfügbaren Haushaltsmittel vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.03.1990, - 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363,385).

Der Beamte muss grundsätzlich seinen Anspruch auf Korrektur der Besoldung zeitnah, d.h. grunsätzlich im laufenden Haushaltsjahr, geltend machen.