Bankrecht: Bürgschaft einer arbeitslosen Ehefrau wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Rechtsanwalt Dr. Rönsberg zum Urteil des OLG Koblenz vom 27.09.2012

Bankrecht: Bürgschaft einer arbeitslosen Ehefrau wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Rechtsanwalt Dr. Rönsberg zum Urteil des OLG Koblenz vom 27.09.2012
06.04.20131762 Mal gelesen
Urteil zum Kreditrecht bzw. Bürgschaftsrecht: Das OLG Koblenz hat die Bürgschaft einer 29-jährigen Hausfrau für Geschäftsschulden ihres Ehemannes als sittenwidrig und nichtig angesehen, da diese eine krasse finanzielle Überforderung darstellte. Rechtsanwalt Dr. Rönsberg zum Thema

Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften

Ein Bürgschaftsvertrag kann gem. § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oftmals dann gegeben, wenn der Bürge dem Hauptschuldner strukturell unterlegen ist und die Bürgschaft für ihn aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine nicht hinnehmbare Belastung begründet. Eine solche strukturelle Unterlegenheit des Bürgen ist typischerweise dann gegeben, wenn der Bürge etwa ein Ehepartner, eingetragener Lebenspartner, Verlobter oder das Kind des Hauptschuldners ist. Denn diese Beziehungen begründen für gewöhnlich eine besonders starke emotionale Verbundenheit, durch die ein Bürge unter Druck geraten kann. Zudem muss die Bürgschaft für den Bürgen eine krasse finanzielle Überforderung begründen. Dies ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs etwa dann der Fall, wenn der Bürge nicht einmal in der Lage ist die laufenden Zinsen aus der Hauptschuld aufzubringen.

Landgericht lehnte Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ab

Mit Beschluss vom 04.10.2012 (Az. 2 W 523/12) hielt nun das OLG Koblenz den Bürgschaftsvertrag einer 29-jährigen Frau für sittenwidrig und gem. § 138 BGB nichtig. Diese hatte sich für einen Darlehens- und Bierlieferungsvertrag ihres Ehemannes mit einer selbstschuldnerischen Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage verbürgt. Die Klage der Gläubigerin gegen den Ehemann war erfolglos, da über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nun wurde die Ehefrau als Bürgin auf Zahlung von Darlehensschulden i.H.v. fast € 10.000,00 in Anspruch genommen. Ein Antrag der Ehefrau auf Prozesskostenhilfe wurde vom Landgericht mit der Begründung abgelehnt, dass die Bürgschaft vorliegend nicht sittenwidrig sei. Das Landgericht hatte zwar erkannt, dass die Bürgin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses arbeitslos war. Das Gericht hob jedoch hervor, dass die Bürgin erst 29 Jahre alt und gelernte Krankenschwester sei. Da in Deutschland ein zunehmender Mangel an Pflegepersonal herrsche, könne angenommen werden, dass die Bürgin kurzfristig Arbeit finden werde.

Oberlandesgericht stellt krasse finanzielle Überforderung der Bürgin fest

Dagegen wehrte sich die Bürgin mit einer sofortigen Beschwerde zum Oberlandesgericht Koblenz. Das OLG stellte fest, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die Bürgin bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages bereits ein Kind zu verpflegen hatte, dass weitere Kinder geplant waren und dass sie ausschließlich eine Hausfrauentätigkeit ausüben wollte. Dies sei auch der Darlehensgeberin und nunmehrigen Klägerin bekannt gewesen. Damit sei von Anfang an ersichtlich gewesen, dass die Bürgin nicht in der Lage sein würde, für die Bürgschaftsverpflichtungen aus dem Geschäftsdarlehen aufzukommen. Zudem habe die Beklagte nunmehr tatsächlich insgesamt vier Kinder. Damit liege eine krasse Überforderung eines nahen Familienmitglieds im Sinne der Rechtsprechung des BGH vor.

Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, steht für Rückfragen zum Thema Bankrecht, Kreditrecht oder Bürgschaftsrecht zur Verfügung.