Auch eine nicht zur Straffreiheit führende Selbstanzeige kann die Steuerfestsetzungsfrist hemmen

Auch eine nicht zur Straffreiheit führende Selbstanzeige kann die Steuerfestsetzungsfrist hemmen
10.07.2013267 Mal gelesen
Nicht nur eine zur Straffreiheit führende Selbstanzeige, mit der der Steuerpflichtige seine unrichtigen oder unvollständigen Angaben in vollem Umfang berichtigt oder ergänzt, kann die Ablaufhemmung auslösen. Ausreichend für den Beginn der Ablaufhemmung ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofes, dass

die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann.

In manchen Fällen glauben Steuerpflichtige, ihre strafbefreiende Selbstanzeige "gestuft" abgeben zu müssen. Man teilt dann dem Finanzamt mit, dass man zu einer bestimmten Steuerart in einem bestimmten Veranlagungsjahr nicht alle Einnahmen angegeben habe, aber noch nicht alle Unterlagen beisammen habe und demnächst was nachreichen werde.

Solch eine Nacherklärung sollte sehr genau durchdacht und nur in begründeten Ausnahmefällen nach sorgfältiger Beratung durch einen erfahrenen Steuerberater oder in Steuerrecht versierten Rechtsanwalt abgegeben werden. Denn es bedarf der sorgsamen Prüfung, ob durch so eine Erklärung ein Schritt in Richtung Strafbefreiung beschritten wird, oder ob man sich diesen Weg damit gerade verbaut. Sicher ist nur, dass man mit solch einer unvollständigen Erklärung zur Hemmung der Festsetzungsfrist für die betreffende Steuer beigetragen hat:

Am 6. November 1998 erhielt das Finanzamt ein vom Steuerberater eines Metzgers gefertigtes Schreiben, das im Betreff als "strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO" der Eheleute überschrieben war. Das Schreiben lautete wie folgt:

".namens und im Auftrag meiner Mandanten erkläre ich, dass sie hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen unrichtige bzw. unvollständige Angaben in ihren Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen über die Höhe der tatsächlichen Einnahmen gemacht haben und auch der Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensteuererklärungen nicht nachgekommen sind. Die Steuererklärungen für das Jahr 1986 wurden Ihnen am 5.10.1987 .. eingereicht. Festsetzungsverjährung ist deshalb für die Veranlagungen ab 1987 noch nicht eingetreten.

. Leider kann ich Ihnen wegen fehlender Unterlagen keine genauen Angaben über die nicht erklärten Einnahmen machen, sondern diese bis zur Vorlage der in Luxemburg angeforderten Kontoauszüge und Bestätigungen über laufende Einzahlungen, jährliche Kontenstände und Zinsgutschriften nach Angaben meiner Mandanten nur schätzen. .

.. Ich bitte Sie, mir eine angemessene Frist für die Angabe von konkreten Zahlen bzw. für eine ggf. erforderliche abschließende Schätzung der Zahlen zu gewähren und mir dabei den Eingang dieses Schreiben zu bestätigen."

Das Finanzamt bestätigte mit Schreiben vom 13. November 1998 den Eingang der Selbstanzeige. Es bat mit Frist 31. Dezember 1998, die "konkreten Beträge und die entsprechenden Nachweise beizubringen".

Die Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung leitete am 9. Februar 1999 sowohl gegen den Metztger als auch gegen dessen Ehefrau das Steuerstrafverfahren ein.

Am 16. Juni 1999 fand im Finanzamt eine Besprechung statt, an der der Metzger, sein Steuerberater und die zuständige Sachgebietsleiterin teilnahmen. Ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks legte der Metzger in diesem Termin erstmals "Unterlagen und Berechnungen zu den in den Jahren 1987 bis 1996 erzielten und bisher nicht erklärten Kapitaleinkünften und den dem Betrieb unversteuert entnommenen Einnahmen" vor.

Das Finanzamt erlies sodann geänderte Bescheide für Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, alle das Jahr 1987 betreffend.

Der Metzger meint, die Bescheide hätten nicht (mehr) ergehen dürfen, da die Festsetzungsfrist abgelaufen sei.

Das Finanzgericht meinte ebenfalls, dass die vom Metzger gewählte gestufte Selbstanzeige dem Grunde nach die Ablaufhemmung noch nicht auslösen könne, sodass die Festsetzungsfrist abgelaufen sei.

Der Bundesfinanzhof gab indes dem Finanzamt Recht.

Die Festsetzungsfrist beginnt, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird; die Festsetzungsfrist beträgt im Fall der Steuerhinterziehung zehn Jahre. Danach begann im Streitfall die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 1988; ohne Ablaufhemmung hätte sie am 31. Dezember 1998 geendet.

Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine strafbefreiende Selbstanzeige, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

Die Ablaufhemmung soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Finanzbehörde in bestimmten Fällen auch dann noch eine Steuerfestsetzung ermöglichen, wenn dies aus bestimmten Gründen während der regelmäßigen Festsetzungsfrist nicht möglich ist. Das Gesetz räumt der Finanzbehörde die Möglichkeit ein, innerhalb eines Jahres die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, wenn der Steuerpflichtige selbst erklärt, unzutreffende Angaben gemacht und so Steuern hinterzogen zu haben.

Nicht nur eine zur Straffreiheit  führende Selbstanzeige, mit der der Steuerpflichtige seine unrichtigen oder unvollständigen Angaben in vollem Umfang berichtigt oder ergänzt, kann die Ablaufhemmung  auslösen. Ausreichend für den Beginn der Ablaufhemmung ist, dass die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige Steuerart und Veranlagungszeitraum benennt und den Sachverhalt so schildert, dass der Gegenstand der Selbstanzeige erkennbar wird.

Im Streitfall hat der Metzger im Schreiben vom 6. November 1998 und somit noch vor Ablauf der  Festsetzungsfrist den nachzuversteuernden, das Streitjahr betreffenden Sachverhalt gegenständlich bestimmt. Er hat erklärt, dass er (auch) im Jahr 1987 hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen unrichtige oder unvollständige Angaben in seiner Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung gemacht hat. Damit hat er der Finanzbehörde seine Tat in Grundzügen mitgeteilt.

Die streitigen Bescheide sind mithin allesamt vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen und somit rechtmäßig.

(Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.04.2010; X R 1/08

Vorinstanz: Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2007; 16 K 458/05)

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