Arbeitgeber hat Prüfpflicht zur Besetzung freier Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten!

Arbeit Betrieb
02.11.2011391 Mal gelesen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärte in seiner aktuellen Entscheidung (Pressemitteilung Nr. 77/11 des BAG, Urteil vom 13.10.11 – 8 AZR 608/10), dass Arbeitgeber verpflichtet sind zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können.

Der Arbeitgeber muss sich dafür frühzeitig mit der Bundesagentur für Arbeit in Verbindung setzen, um auch arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen bei der Besetzung des freien Arbeitsplatzes berücksichtigen zu können.

Diese Prüfpflicht stellt eine gesetzliche Pflicht dar und folgt aus § 81 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX). Dort ist auch geregelt, dass die Bundesagentur für Arbeit oder ein Integrationsfachdienst dann dem Arbeitgeber geeignete schwerbehinderte Menschen vorschlägt. Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen hat der Arbeitgeber u.a. die Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Diese gesetzliche Pflicht trifft jeden Arbeitgeber. Hält ein Arbeitgeber dieses Verfahren nicht ein, kann ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber sich darauf berufen, dass die Verletzung dieser Pflicht seine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lässt.

Der Entscheidung des BAG lag folgender Fall zugrunde: Der schwerbehinderte Bewerber bewarb sich bei einer Gemeinde auf eine dort ausgeschriebene Stelle für eine Mutterschaftsvertretung. Der Bewerber ist mit einem Grad von 60 schwerbehindert. Er hat eine Ausbildung zum Kaufmann, sowie ein Studium der Betriebswirtschaft und die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst absolviert. Die Gemeinde hat die freie Stelle zur Mutterschaftsvertretung mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt. Dabei hat die Gemeinde jedoch vorher nicht geprüft, ob der freie Arbeitsplatz auch mit einem schwerbehinderten Menschen hätte besetzt werden können. Auch hatte die Gemeinde keinen Kontakt zur Bundesagentur für Arbeit aufgenommen. Der schwerbehinderte Bewerber verklagte die Gemeinde in der Folge auf eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Er sah sich wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage des Bewerbers abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht jedoch gab dem Kläger dem Grunde nach Recht. Die Gemeinde hat gegen die gesetzlich geregelte und für alle Arbeitgeber geltende Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen verstoßen. Diese Prüfpflicht besteht auch unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Arbeitnehmer auf die freie Stelle beworben hat oder nicht und unabhängig davon, ob der Bewerber bei der Bewerbung seinen Schwerbehinderten-Status offengelegt hat oder nicht.

Das BAG entschied im vorliegenden Fall, dass die Verletzung der Prüfpflicht der Gemeinde ein Indiz dafür darstellt, dass sie als Arbeitgeber den abgelehnten schwerbehinderten Bewerber wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil sie ihre Förderungspflichten nicht beachtet hat. Die Gemeinde konnte die Vermutung der Benachteiligung nicht widerlegen. Daher ist das BAG von einer solchen Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausgegangen und hat die Klage an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, welches noch über die Höhe der Entschädigung für den schwerbehinderten Bewerber zu entscheiden hat.

Wie die die obige Entscheidung zeigt, sind die Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Stellenbesetzung komplex und vielfältig. Die daraus resultierenden Pflichten treffen nichtöffentliche Arbeitgeber in weitem Umfang in gleicher Weise wie öffentliche Arbeitgeber. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten sich daher bei gegebenem Anlass von einem auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in arbeitsrechtlichen Fragen beraten und vertreten lassen.

In der Kanzlei Himmelsbach & Sauer in Lahr (Ortenaukreis) zwischen Freiburg und Offenburg arbeiten Anwälte mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsrecht, auch bei Fragen im Zusammenhang mit der Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei Stellenausschreibungen, beraten und außergerichtlich sowie gerichtlich vertreten.

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