Abgrenzung des Befunderhebungsfehlers zum Aufklärungsfehler

Abgrenzung des Befunderhebungsfehlers zum Aufklärungsfehler
16.01.2017151 Mal gelesen
Unterlässt es der Arzt fehlerhaft, medizinisch gebotene (weitere) Befunde zu erheben, so begeht er einen Befunderhebungsfehler.

Unterlässt es der Arzt fehlerhaft, medizinisch gebotene (weitere) Befunde zu erheben, so begeht er einen Befunderhebungsfehler. Wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen, führt selbst ein einfacher Befunderhebungsfehler zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden (BGH, Urteil vom 02.07.2013, VI ZR 554/12). Diese zugunsten des Patienten wirkende Beweislastumkehr ist ansonsten nur bei Vorliegen eines sogenannten groben Behandlungsfehlers gegeben.

Lediglich das Unterlassen einer Aufklärung über die Dringlichkeit der weiter angeratenen diagnostischen Maßnahmen ist jedoch nicht als Befunderhebungsfehler, sondern als Fehler im Rahmen der therapeutischen Aufklärung zu werten (BGH, Urteil vom 17.11.2015, VI ZR 476/14). Dieser Aufklärungsfehler führt jedoch nicht zu einer Umkehr der Beweislast.

Unterlässt es ein Arzt, den Patienten über die Dringlichkeit der medizinisch gebotenen Maßnahmen zu informieren und ihn vor Gefahren zu warnen, die im Falle des Unterbleibens entstehen können, liegt grundsätzlich lediglich ein Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Beratung des Patienten vor. Begründet wird dies damit, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit ärztlichen Fehlverhaltens in diesen Fällen regelmäßig nicht in der unterbliebenen Befunderhebung als solcher, sondern in dem Unterlassen von Warnhinweisen zum Zwecke der Sicherstellung des Behandlungserfolges liegt.

Der höchstrichterlichen Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass ein Arzt einem Patienten eine diagnostische Maßnahme zwar empfohlen und angeraten hatte, der Arzt den Patienten aber fehlerhaft nicht über ihre Notwendigkeit und Dringlichkeit aufgeklärt hatte. D.h., der behandelnde Arzt muss den Patienten auch über die medizinischen Hintergründe seiner Empfehlung weiterer Befunderhebungen aufklären. Nur so ist der Patient in der Lage, für sich die Notwendigkeit bzw. Dringlichkeit weiterer Befunderhebungen, welche in der Regel auch mit weiteren körperlichen Eingriffen verbunden sind, abzuschätzen und zu entscheiden, ob er sich weiteren Untersuchungen unterziehen will.

Eine entsprechende therapeutische Aufklärung wird auch nicht dadurch obsolet, dass mit dem Patienten ein kurzfristiger Termin für weitere Befunderhebungen vereinbart wird, da dem Patienten dadurch nicht automatisch die Dringlichkeit weiterer Untersuchungen deutlich vor Augen geführt wird. Die therapeutische Aufklärung kann somit nicht konkludent über die Vereinbarung weiterer Termine oder die Verweisung an (spezialisierte) Kollegen erfolgen, sondern muss immer ausdrücklich und unmissverständlich von dem behandelnden Arzt durchgeführt werden.


Weitere Informationen finden Sie hier https://rechtsanwaelte-fuer-arzthaftungsrecht.de/