Abgrenzung der nichtselbstständigen sozialversicherungspflichtigen von der selbstständigen Tätigkeit bei Minderheitsgesellschaftern

Soziales und Sozialversicherung
21.09.2016380 Mal gelesen
Die Abgrenzung hat durch drei Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom vergangenen Jahr (29.07.2015, 19.08.2015 und 11.11.2015) eine neue Richtung bzw. Konkretisierung erfahren. Der Stimmrechtspool muss nach der letzten Entscheidung in der GmbH-Satzung verankert sein.

Die Rechtsprechung geht bei der Frage, ob Minderheitsgesellschafter, die als Mitarbeiter/Geschäftsführer für die GmbH tätig sind, selbstständig oder nichtselbstständig beschäftigt sind von folgenden Kriterien aus:

  • Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen (Anstellungsvertrag)
  • Mündliche oder konkludente Änderungen der Vereinbarungen
  • Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen

Die Gerichte prüfen also zunächst einmal, was in dem (schriftlich) abgeschlossenen Vertrag vereinbart wurde. Dabei kommt dem Umstand Bedeutung zu, ob der Beschäftigte in dem Betrieb der GmbH eingegliedert ist und einem Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der Tätigkeit umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vor allem bei Diensten höherer Art - eingeschränkt zur sogenannten "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Dem gegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich demnach ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG Soz R 4-2400 § 7 Nr 15 LS u. RdNr 25). 

Festzuhalten bleibt somit:

  • Negativ ist ein Anstellungsvertrag, wonach Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit weisungsgebunden ausgeführt werden.
  • Ferner ein fehlendes Unternehmerrisiko.
  • Typische Anhaltspunkte dafür im Vertrag sind Regelungen über eine feste Vergütung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Bestimmung einer festen Anzahl vom bezahlten Urlaub.

Was die Entscheidung des BSG vom 11.11.2015 angeht, so wurde darin über die Auswirkungen des Stimmrechtspools auf die Abgrenzung der nichtselbstständigen von der selbständigen Tätigkeit entschieden. Da der Stimmrechtspool, sofern er einfach schriftlich vereinbart ist, nach Ansicht der Rechtsprechung ohne weiteres gekündigt werden kann, führt selbst eine darin begründete Sperrminorität des Minderheitsgesellschafters nicht dazu, dass er deshalb keine Angestelltentätigkeit in der GmbH selbstständig ausübt. Vielmehr muss, so die Rechtsprechung des BSG, die Stimmrechtspoolung in der Satzung der GmbH festgehalten sein, so dass sie nicht zum Nachteil des einzelnen für die GmbH tätigen Gesellschafters ohne seine Zustimmung geändert werden kann.

Nach Maßgabe der Rechtsprechung des BSG vom 19.08.2015 wird es möglicherweise sogar so sein, dass dann auch innerhalb der GmbH-Satzung festgeschrieben ist, dass die Poolversammlung über sämtliche laufenden Angelegenheiten der Geschäftsführung entscheiden kann, weil nur damit gewährleistet ist, dass die Sperrminorität des einzelnen Gesellschafters im Rahmen seiner Geschäftsführungstätigkeit tatsächlich auch zum Tragen kommt.  

  • Dies ist bei der künftigen Prüfung der selbstständigen bzw. nichtselbst-ständigen Beschäftigung von GmbH-Mitarbeitern zu beachten.
  • Selbst wenn jemand nicht nur für die Gesellschaft arbeitet, sondern auch deren Gesellschafter ist, hilft diesem nach Maßgabe der o.g. Rechtsprechung die sogenannte Sperrminorität nicht automatisch weiter. Die Sperrminorität kommt etwa zum Tragen, wenn in der Satzung der GmbH vorgesehen ist, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nur einstimmig gefasst werden können. Für diesen Fall kann ein Minderheitsgesellschafter, der z.B. nur 10 % Anteile hält (vgl. BSG v. 19.08.2015 B-12-KR-9/14-R), alle von ihnen nicht gewünschten Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern. Dies allein reicht nach Maßgabe der o.g. Rechtsprechung jedoch auch noch nicht dazu aus, eine Tätigkeit als selbstständig einzuordnen. Vielmehr gilt dies nur dann, wenn durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung auch die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH ausgeübt werden kann. Ist dies wie im Regelfall aber nicht Aufgabe der Gesellschafterversammlung, sondern Sache der laufenden Geschäftsführung, hilft die o.g. Sperrminorität gleichwohl nicht weiter.

Paderborn, den 21.09.2016