„Anlegerschutz" in Deutschland - was Anleger derzeit beachten sollten - 03.01.2011

Wirtschaft und Gewerbe
03.01.20111398 Mal gelesen
Wieder einmal ist es bedauerlichen reellen Umständen -populär gewordene schlechte Bankberatungen nach Großschadensfällen wie z.Bsp. der rund 50.000 geschädigten Lehmann-Zertifikate-Anlegern- statt vorsorglicher gesetzgeberischer Weitsicht zu verdanken, daß Gesetzesvorhaben zum Anlegerschutz angestoßen werden.

Die Bundesregierung hat sich bei der umstrittenen Neuordnung des Anlegerschutzes geeinigt. Die rund 80.000 Verkäufer von Finanzprodukten am grauen Kapitalmarkt (geschlossene Fonds und stille Beteiligungen) bleiben der Gewerbeaufsicht unterstellt. Neben der Einführung eines Sachkundenachweises und eine Berufshaftpflichtversicherung müssen die Verkäufer umfangreichen Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten im Vertriebsgeschäft nachkommen. Der private Bankenverband und Anlegerschützer halten die Gewerbeaufsicht aber für überfordert, um die zahlreichen Vermittler von Finanzprodukten zu beaufsichtigen.

Bislang konnte also jeder der bis 3 zählen konnte Produkte des grauen Kapitalmarktes verkaufen und sich "Anlageberater" nennen. Während ein Würstchenverkäufer wenigstens ein Gesundheitszeugnis benötigt, gab es bislang keinerlei gesetzliche Vorgaben für Sachkunde und Zuverlässigkeitszertifizierungen. Erfindungsreichtum und Skrupellosigkeit des Beraters verhalfen dann aber dennoch dazu, auch vielbeschäftigter und hochdotierter Kundschaft ungeeignete Investments aufzuschwatzen.

Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung auch bei der anlegergerechten Beratung. Medialen Berichten zufolge drängt sich der Eindruck auf, dass die Beratungsleistung der Anlageberater durch Provisionsinteressen beeinflusst werden und Kundeninteressen eine untergeordnete Rolle spielen Eine unabhängige Honorarberatung wollen die meisten aber nicht. Gleichzeitig braucht man aber den "Berater" für komplizierte Produkte wie geschlossene Fonds, Genussrechte oder stille Beteiligungen. Stillschweigend wird in Kauf genommen, dass der Berater letztendlich von demjenigen bezahlt wird, der das Kapitalanlagemodell initiiert hat.

Häufig ist es aber schlichtweg Ahnungslosigkeit die den Interessenskonflikt des Anlageberaters nicht erkennen lässt. Der Bundesgerichtshof hatte jedoch kürzlich in einer sog. kickback-Entscheidung (III ZR 196/09) festgestellt, dass es für den Anleger klar sein muss, dass der Berater mit der Beratung selbst sein Geld verdienen muss und er nicht erwarten kann, er würde diese Beratungsleistungen insgesamt kostenlos erbringen.

Befaßte sich bislang jemand ohne jedwede Vorbildung - die Gehirnwäsche im Strukturvertrieb hat nichts mit Bildung zu tun -  mit provisionsgestützter Anlageberatung z. Bsp. für Anteile an geschlossen Fonds, war bislang die schlechteste Ausgangslage für eine anleger- und anlagegerechte Beratung gegeben. Damit nicht genug, der Anleger der ein bestimmtes Produkt kaufen soll, kann dessen Finessen und Spezialitäten gar nicht erkennen, er steht den Insidern der Initiator-Branche hoffnungslos gegenüber, und der Staat lies es bislang zu, dass diese Produkte durch provisionsgetriebene Jedermanns verkauft werden dürfen.

Zum Beispiel hat das OLG München kürzlich den Kopf der insolventen Futura Finanz Zukunftsunternehmen für Finanz- und Wirtschaft GmbH & Co. KG, wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung eines Anlegers vor dessen Beitritt zur Multi Advisor Fund I GbR nach § 826 BGB zur Schadensersatzzahlung verurteilt.  Das Oberlandesgericht sah es als erwiesen an, dass er verantwortlich ist, dass bestimmte Vermittler absichtlich so geschult wurden, dass sie Risiken bei der Vermittlung verharmlost haben. Zudem sei diese Verharmlosung zentrales Ziel der Schulungen gewesen.   Der Senat ist überzeugt, dass diese Schulungen von ihm über mehrere Ebenen organisiert und damit sichergestellt war, dass das Schulungsziel bei bestimmten Vermittlern erreicht wurde. Nach dem Konzept der Schulungen sollten die Vertreter Risiken nicht zur Sprache bringen und den Emissionsprospekt, der eine Risikoaufklärung enthält, erst möglichst spät, d.h. erst nach Unterzeichung der Beitrittserklärung übergeben. Sofern der Kunde Fragen bzgl. Risiken stellt, sollte Bedenken zerstreut werden. 

Zu späte oder gar keine Prospektübergaben lassen sich auch bei Anlegern anderer Kapitalanlagen beobachten.  Berichten von Anlageberatern zu Folge würde keiner die Produkte kaufen, wenn die Prospekte rechtzeitig vor den Zeichnungen übergeben würden, damit die Anleger sie in Ruhe lesen und verstehen können. Risikohinweise in den Zeichnungsscheinen werden häufig damit zerstreut, dass dies so drin stehen muss, damit das Produkt in Deutschland überhaupt verkauft werden darf.

Hinzu kommt schlichtweg komplettes Unwissen bei den Anlegern über grundlegende Zusammenhänge von Chancen und Risiken bei Kapitalanlageprodukten und grundlegenden Begriffen des Kapitalmarktes. Wer aus diesem Unwissen heraus illusorische Kapitalanlagen nachfragt, bekommt dann früher oder später die Antworten die er hören will.

So dürften sich einige Milliardenverluste erklären, die Anleger des grauen Kapitalmarktes jedes Jahr erleiden. Jedes Jahr stellt sich daher nicht die Frage ob sondern welche Kapitalanlage sich als Enttäuschung darstellt.    

Um es den Anlageberatern nicht leichter zum machen, als es nach der derzeitigen Gesetzeslage ohnehin schon ist, sollten Anleger Folgendes immer beachten:

  1. Je wichtiger der Zweck der Geldanlage ist, desto vorsichtiger sollten   die Anleger sein,
  2.  Selbsteinschätzung der Risikobereitschaft: Jeder Anleger sollte sich überlegen, ob er mit Wertverlusten seiner Kapitalanlage leben kann oder deswegen schlaflose Nächte hätte,
  3. Das Beratungsgespräch sollte protokolliert werden, am Besten im Beisein mit einem Zeugen,
  4.  Entscheidungszeit ist wichtig, Zeitdruck schädlich,
  5. Wenn schon für den Erhalt von Fondsprospekten unterschrieben werden soll auf der Beitrittserklärung, dann sollte dies auch geschehen sein bzw. der Prospekt spätestens innerhalb der Widerrufsfrist gelesen und verstanden sein.

Der erfolgreiche 74-jährige Chef der spanischen Banko Santander (Börsenwert von rund 70 Milliarden Euro, 132.000 Angestellten, 65 Millionen Kunden in mehr als 40 Ländern) Emilio Botin empfahl bei der Preisverleihung an die "Beste Bank der Welt 2008" des Fachblattes "Euromoney" in London:

 "Wenn Sie ein Finanzinstrument nicht verstehen, kaufen Sie es nicht. Wenn Sie das Produkt nicht selbst kaufen würden, versuchen Sie auch nicht, es jemand anderem zu verkaufen."